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Der letzte GEW-Warnstreik war noch zweitägig. Vom 6. bis 8. Juni geht es dreitägig weiter.

© dpa/Paul Zinken

Update

Drei Tage Lehrer-Warnstreik in Berlin: Warum selbst Gewerkschaftsmitglieder am Kurs der GEW zweifeln

Am Dienstag geht es los: Die Gewerkschaft rechnet mit 2500 bis 3000 streikenden Lehrkräften. Es ist der 14. Ausstand für kleinere Klassen. Eltern müssen improvisieren.

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Harte drei Tage kommen auf Berlins Familien zu: Von Dienstag bis Donnerstag herrscht an etlichen Schulen Ausnahmezustand, denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat zum Warnstreik für kleinere Klassen aufgerufen. Zwar dürfen verbeamtete Lehrkräfte nicht streiken, und unter den Angestellten wird wohl nur jeder fünfte mitmachen, schätzt die GEW. Dennoch wird an einigen Schulen erhebliche Unruhe herrschen oder sogar ganz der Unterricht ausfallen.

Je nach Bezirk und Schule schwankt die Teilnahme stark. So gibt es Kollegien, in denen nur wenige streiken, aber auch den umgekehrten Fall. Den Kindern bleibt dann nur die „Notbetreuung“ der Grundschulen. Wie berichtet, sind auch Abiturtermine durch den Streik tangiert. Der Sprecher des Landesschülerausschusses, Paul Seidel, bekräftigte am Montagabend die Haltung seines Gremiums, dass es „problematisch“ und „unsolidarisch“ sei, an Prüfungstagen zu streiken.

Zwar finde er es generell „richtig, für gute Bildung zu streiken“. Denn der Senat müsse deutlich machen, welches seine „langfristige Startegie“ sei, um genügend Lehrkräfte zu gewinen und kleinere Klassen zu erreichen, sagte Seidel dem Tagesspiegel. „Aber ich verurteile, dass der Streik an Prüfungstagen stattfindet“, ergänzte der Sprecher. Das sei „gemein den Schüler:innen gegenüber“.

Wie berichtet, sind am Dienstg und Mittwoch Nachschreibetermine in zentralen Abiturfächern. Zudem hatten Schulen Präsentationsprüfungen angesetzt. Der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann will sich Ende Juni erneut auf drei Jahre wählen lassen. Als Mitglied der Linkspartei hatte er bis zum Schluss deren Anti-Verbeamtungslinie mitgetragen. Das werfen ihm nicht wenige GEW-Mitglieder vor.

Die Schulleitungen gehen sehr unterschiedlich mit dem Streik um. So gibt es Klagen von Eltern, die berichten, dass die Leitung den gesamten Unterricht streicht, obwohl nur einzelne Lehrkräfte streiken.

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Allerdings gibt es kein geschlossenes Meinungsbild in der Elternschaft. Da ist zum einen der Landeselternausschuss (LEA), der vor einem Jahr bereits beschlossen hat, den Kampf für kleinere Klassen zu unterstützen. Er äußerte auch jetzt keine hörbare Kritik, als die GEW den Druck nochmals erhöhte und den nun dreitägigen Warnstreik verkündete.

Eltern der Havelland-Schule demonstrieren mit

Unterhalb dieser offiziellen und abgestimmten Linie gibt es aber sehr unterschiedliche Einschätzungen. So unterstützt der Gesamtelternvorstand (GEV) der Schöneberger Havelland-Grundschule den Streik und fordert die anderen Elten auf, mitzudemonstrieren: „Wir als Eltern wollen dem Streik unserer Lehrer*innen mehr Schlagkraft verleihen, damit die Politik sich bewegt und aktiv eine Lösung für diesen Konflikt sucht“, sagte GEV-Vertreterin Stephanie Niehoff dem Tagesspiegel am Sonntag. „Deshalb sind wir Eltern am Mittwoch mit dabei, werden laut und unterstützen die streikenden Lehrer*innen unserer Schule.“

Auf der anderen Seite gibt es Eltern, die den erneuten Streik für „unfair“ halten. So liegt dem Tagesspiegel die Mail einer Mutter an die GEW-Spitze vor. Darin schreibt sie, dass „die Unglaubwürdigkeit“ der GEW-Streik-Strategie im Rahmen der mündlichen Abiturprüfung an der Schule ihres Kindes im Fach Politik thematisiert worden sei — „und das nicht als Positivbeispiel vorbildlicher Demokratie“.

In Sachen „Glaubwürdigkeit“ haben nicht nur Eltern, sondern auch etliche GEW-Mitglieder ihre Zweifel am Kurs der Gewerkschaft, und das hat zwei Gründe. Da ist zum einen der bundesweite Lehrkräftemangel, der noch lange andauern wird. Die Möglichkeit einer personalintensiven Klassenverkleinerung gilt damit als wenig wahrscheinlich..

Zwar argumentieren GEW und LEA, man könne ja zunächst einmal klein anfangen – wichtig sei, dass man überhaupt einen Einstieg schaffe, um die Burnout-Gefahr für Lehrkräfte einzudämmen. Doch dabei käme ein zweites Problem ins Spiel: Kritiker der Streiks verweisen darauf, dass Berlin gar keinen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ mit dem Ziel der kleineren Klassen abschließen könne, weil die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in diesem Fall mit dem Rauswurf Berlins droht: Die anderen Bundesländer sehen nämlich nicht ein, warum sie sich durch einen Berliner Präzedenzfall zwingen lassen sollten, einen derartigen personal- und kostenintensiven Sonderweg mitzugehen.

Ein „Argumentationstraining“ für die Streikenden

Der neu gegründete Berliner Lehrerverband erinnert daran, dass die Berliner Tarifbeschäftigten mit dem Rauswurf aus der TdL bereits einmal „bittere Erfahrungen gesammelt“ hätten. Sie seien dann von der Einkommensentwicklung der anderen Bundesländer abgekoppelt worden und hätten „deutlich weniger Entgelt“ gehabt, mahnte Verbandssprecher Ferdinand Horbat.

DIe GEW weiß offenbar, wie schwierig ihre Argumentationsbasis angesichts der doppelten Problematik von Personalmangel und TdL-Zwängen ist. Jedenfalls wird im aktuellen „Infoblatt“ der Pankower GEW empfohlen, dass die GEW-Aktiven am ersten Streiktag „Ansprache- und Argumentationstraining“ einplanen und am zweiten Streiktag anwenden sollen, um die Zweifler zu überzeugen.

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