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Schon die rot-grünen Koalitionsverhandlungen waren am Thema A-100-Ausbau gescheitert.

© dpa

Einseitige Debatte: „Die A 100 hat nicht die höchste Priorität“

IHK-Chef Eder kritisiert die einseitige Debatte um die A 100 - andere Themen sind ihm wichtiger. Die 3,2 Kilometer lange Autobahn ist für ihn "mitnichten die Schicksalsfrage für Berlin".

Herr Eder, bei den rot-grünen Verhandlungen zur Regierungsbildung dreht sich dem Anschein nach zurzeit alles um die Verlängerung der Autobahn A 100. Wie beurteilen Sie den Streit?

Die A 100 ist und bleibt wichtig für die Wirtschaft– wir haben ja eine Kampagne dafür gemacht. Auf der anderen Seite reden wir über eine 3,2 Kilometer lange Autobahn, die mitnichten die Schicksalsfrage für Berlin oder die Wirtschaft ist. Sehr problematisch finden wir, dass die Auseinandersetzung den Blick verstellt auf Dinge, die deutlich höhere Priorität haben sollten und im Moment überhaupt nicht diskutiert werden. Das muss dringend geschehen.

Welche Themen sind denn wichtiger?

Da gibt es einige Felder: Wie geht es weiter mit der Industriepolitik? Was ist mit der Ertüchtigung des Flughafens Tegel zum Industriestandort? Was passiert mit der Wissenschaft, insbesondere Charité und Vivantes? Da gibt es drei Zuständigkeiten, keine Lösung und kein Geld. Und was geschieht mit der Verwaltung der Stadt? Hier haben wir Hoffnung, weil die Grünen angekündigt haben, dass mit ihnen die Verwaltungsreform ganz oben auf die Tagesordnung kommt. Und was tun wir gegen den Fachkräftemangel? Was geschieht mit der Wirtschaftsförderung und unserer Forderung, die Technologiestiftung Berlin (TSB) und Berlin Partner zusammenzuführen? Noch dazu müssen wir den Haushalt konsolidieren.

Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie im Autobahn-Streit?

Wollen die Grünen nicht sofort zustimmen, müssen sie ein Risiko eingehen. Sie denken an zwei Punkte, die die Autobahn verhindern können. Erstens: Es gibt kein Geld vom Bund, das wird 2012 so sein und möglicherweise auch 2013. Und bei der Frage, ob sich Mittel umwidmen lassen, vermute ich, dass die Grünen auf eine rot-grüne Bundesregierung hoffen, mit der andere Gespräche möglich sind als mit der jetzigen. Diese Taktik kann aber schiefgehen: Vielleicht ist 2013 doch Geld vom Bund da, oder selbst eine rot-grüne Bundesregierung findet rechtlich keinen Weg, Mittel umzuwidmen. Dann müssen die Grünen die Kröte eben schlucken.

Lesen Sie auf Seite 2 ob es fundamentale Grundsätze zwischen IHK und Grünen gibt.

Wäre denn auch die Wirtschaft bereit, eine Kröte zu schlucken – nämlich einen Verzicht auf die A 100-Verlängerung, wenn dafür andere Forderungen erfüllt werden?

Es ist schwierig, Themen gegeneinander aufzurechnen. Wir werden aber nicht alle unsere Punkte in der nächsten Regierungszeit erledigt bekommen. Dann kann man anfangen zu überlegen, wo die Prioritäten liegen – und das sind für uns vor allem die Verwaltungsreform und die Re-Industrialisierung. Wenn ich wählen müsste, wären mir bestimmt fünf bis sechs Punkte wichtiger als der Weiterbau der A 100.

Könnte man das Thema also in die übernächste Legislaturperiode verschieben?

Das würde ich mir nicht wünschen. Es gibt im Zweifel Alternativen zur A 100, um die Verkehrssituation in den östlichen Bezirken zu verbessern, zum Beispiel die Tangentialverbindung Ost.

Gibt es fundamentale Gegensätze zwischen IHK und Grünen?

Bei der Industriepolitik nicht. Die Grünen wollen zum Beispiel in Tegel grüne Technologien ansiedeln. Berlin wird in der klassischen Fahrzeug- oder Elektroindustrie keinen Weltruf mehr erlangen. Aber da, wo neue Industrie entsteht – und dazu zählt Green Economy – sehen auch wir gute Startchancen.

FU-Präsident Alt hat sich für eine gemeinsame Wirtschafts- und Wissenschaftsverwaltung ausgesprochen. Was meinen Sie?

Das ist genau unsere Meinung. Wirtschaft, Wissenschaft und der gesundheitswissenschaftliche Teil mit Charité und Vivantes gehören zusammen. Und dass die Wissenschaft ein solches Zukunftsressort wünscht, zeigt den Bewusstseinswandel: Man hat keine Angst mehr vor der Wirtschaft. Es geht ums Miteinander und nicht allein darum, Forschung zu kapitalisieren.

Das Gespräch führte Cay Dobberke.

Jan Eder (48) ist seit acht Jahren Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, die 270 000 Firmen vertritt – und dort seit 1992 in verschiedenen Funktionen tätig.

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