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Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, spricht auf der Klausurtagung der Berliner SPD-Fraktion in Jena (Thüringen) zu den Abgeordneten.

© Sebastian Kahnert/dpa

Fraktionsklausur der Berliner SPD: Raed Saleh schießt gegen CDU, Grüne und Linke

SPD-Fraktionschef Raed Saleh kritisiert den Koalitionspartner CDU. Der gibt sich gelassen. Und die Opposition vermisst einen Masterplan für Flüchtlinge.

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Fast hatte es so ausgesehen, als hätten sich die Koalitionspartner SPD und CDU noch einmal für die Zeit bis zur Berliner Wahl zusammengerauft. Doch pünktlich zur Klausurtagung der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus an diesem Wochenende ritt Fraktionschef Raed Saleh am Freitag eine scharfe Attacke gegen die Union. Die Christdemokraten hätten „ein Handlungsproblem“, sagte er am Rande der Konferenz. „Es entsteht der Eindruck, dass immer mehr Arbeit durch SPD-Senatoren abgedeckt werden muss, für die eigentlich die CDU zuständig ist.“

Saleh erwartet vom Regierungspartner „mehr Professionalität“. Aktuell seien die politischen Schnittmengen mit der Union verbraucht. Die CDU könne aber in den nächsten Monaten noch beweisen, so der SPD-Fraktionschef, dass sie handlungsfähig sei. Aus Sicht der SPD stünden für die Regierungsarbeit vor der Wahl noch mehrere Themen zur Diskussion, unter anderem gehe es um die „Vision für eine familienfreundliche Stadt“. Dazu gehörten auch das von der SPD tags zuvor vorgestellte Ziel der kostenlosen Hortbetreuung und die Abschaffung der Elternbeiträge für das Schulessen. Bei der CDU vermisse er Überlegungen, „die dazu beitragen, Berlin voranzubringen“.

"Wir sind selbstbewusst und loyal"

Sogar die Berliner Polizei fühle sich vom Innensenator Frank Henkel (CDU) alleingelassen, kritisierte Saleh dann noch in seiner Rede zur Eröffnung der Klausur. Es sei offensichtlich, dass die rot- schwarze Koalition mit dieser CDU „einen schlechten Eindruck“ mache. Der SPD-Fraktionschef sprach von „Lärm und politischem Tauziehen, das wir jeden Tag erleben“. Die SPD-Fraktion hingegen gehe „ohne Überheblichkeit, aber aufrecht und mutig“ ins Wahljahr 2016.

Saleh stellte außerdem klar, dass die Berliner SPD-Fraktion kein „Abnickverein“ der Landesregierung sei. „Wir sind selbstbewusst und loyal, das ist das Beste, was dem Senat passieren kann.“ Den Regierenden Bürgermeister Michael Müller nannte Saleh „authentisch und fleißig“, er greife energisch durch, wenn es Missstände gebe. Deshalb sei er der beliebteste Politiker Berlins. Die Berliner Sozialdemokraten freuten sich darauf, mit dem „lieben Michael“ im Wahljahr für eine solidarische und wirtschaftlich starke Stadt zu kämpfen.

Beim Thema Flüchtlinge bekam auch die Opposition ihr Fett weg. „Da schlagen sich die Konservativen in die Büsche, die Linkspartei aber auch“, sagte Saleh. Und die Grünen lächelten die Probleme weg. Die potenziellen künftigen Regierungspartner kritisierte der SPD-Fraktionschef noch an anderer Stelle. Die Sozialdemokraten duldeten keine rechtsfreien Räume, weder am Oranienplatz, im Görlitzer Park oder auf dem RAW-Gelände. „Wir haben uns nie an der billigen Polemik von Grünen und Linken gegen die Berliner Polizei beteiligt.“

Für Flüchtlingskinder soll Berlin zur "emotionalen Heimat" werden

Die Haltung der SPD bei der Lösung der wachsenden Flüchtlingsprobleme formulierte Saleh so: „Die Flüchtlinge, die hier sind, sind uns willkommen.“ Aber wer in Deutschland lebe, müsse die Konflikte in der früheren Heimat lassen. Konfessions- und Bürgerkriege dürften nicht auf deutschen Straßen stattfinden. Es gehe darum, dieses Mal „die Integration besser zu machen als vor 30, 40 Jahren“. Berlin müsse vor allem für die Flüchtlingskinder in den nächsten zwei Jahren zur „emotionalen Heimat“ werden. Es dürfe nicht sein, dass diese Kinder ein halbes Leben lang als Flüchtlinge oder Ausländer gesehen würden. „Es sind Berlinerinnen und Berliner, es sind unsere Kinder.“

Florian Graf, CDU-Fraktionschef, will sich nicht zu Saleh äußern.
Florian Graf, CDU-Fraktionschef, will sich nicht zu Saleh äußern.

© Jörg Carstensen/dpa

Die CDU bewertet die Aussagen von Saleh nicht als vorzeitige Aufkündigung der Koalition. „Die SPD setzt sehr stark auf Wahlkampfmodus, wir sind dagegen weiter im Abarbeitungsmodus“, sagt CDU-Generalsekretär Kai Wegner. „Die Herausforderungen in den nächsten Monaten sind so groß, dass wir eine stabile Regierung brauchen.“ Die Koalition werde auch weiterhin zu guten Kompromissen finden, bei der Hortbetreuung gebe es allerdings einen Dissens. Die Christdemokraten wollen nicht auf die 66 Millionen Euro an Elternbeiträgen verzichten. Das Geld sollte besser in neue Schulstandorte und eine bessere Qualität der Hortbetreuung investiert werden.

CDU will SPD bei der Stange halten

Salehs direkter Kollege im Abgeordnetenhaus, CDU-Fraktionschef Florian Graf, selbst will sich nicht äußern. Aus Fraktionskreisen ist zu hören, Saleh adressiere vor allem die eigenen Leute. Solche Rhetorik am Rande einer Klausursitzung gehöre zum politischen Geschäft und werde weder das persönliche Verhältnis zwischen Saleh und Graf belasten noch die inhaltliche Arbeit blockieren. Die SPD soll offenbar nicht verprellt werden, eine Fortsetzung der großen Koalition nach der Wahl im Herbst will Wegner ausdrücklich nicht ausschließen.

Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer wertet Salehs Kritik als „Absetzbewegung von den Ergebnissen der Koalition – am Ende will’s keiner gewesen sein“. Die Bilanz der rot-schwarzen Vernunftehe sei eben eine Ansammlung von „Pleiten, Pech und Pannen“, etwa bei der Verwaltungsmodernisierung oder in der Flüchtlingskrise. Es brauche dringend einen Masterplan zur Integration der Flüchtlinge und Programme für öffentlich geförderte Beschäftigung. Bei Salehs Thesen zur Hortbetreuung immerhin gibt es viele Gemeinsamkeiten mit der Linken, allerdings brauche es eine Verbesserung bei der Betreuung und der Bedarfsprüfung, sagte Lederer.

Die Grünen liegen beim Hort dagegen auf CDU-Linie. „Es ist der falsche Zeitpunkt, da hat Kai Wegner recht“, sagt Fraktionschefin Antje Kapek. Die große Koalition habe ihre Schnittmengen schon in der Ära Wowereit aufgebraucht, seitdem herrsche Stillstand. Dabei brauche die Stadt eigentlich die „gebündelten Kräfte“ der beiden Parteien. Auch das sieht der CDU-Generalsekretär ähnlich – eine solide schwarz-grüne Schnittmenge.

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