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Im U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz hat im Januar 2016 ein Mann eine junge Frau vor die U-Bahn gestoßen. Sie war sofort tot.

© Paul Zinken/dpa

Haltestelle Ernst-Reuter-Platz in Berlin: Frau vor U-Bahn gestoßen: Mordprozess gegen 29-Jährigen beginnt

Im Januar stieß er eine junge Frau vor eine U-Bahn am Ernst-Reuter-Platz. Die 20-Jährige war sofort tot. Heute beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. Er kommt eventuell in die Psychiatrie.

Die letzte SMS, die Amanda K. schreiben sollte, ging an ihre Mutter. „Bin gleich zu Hause. Ich liebe dich“, kündigte sie an und schickte noch ein Smiley. Es war 23.36 Uhr, als die Nachricht am 19. Januar bei der Mutter eintraf. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde Amanda K. auf dem U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz Opfer eines Verbrechens: Die 20-Jährige wurde vor einen Zug gestoßen. Acht Monate später beginnt am Donnerstag vor dem Landgericht der Mordprozess.

Der Beschuldigte ist 29 Jahre alt und gilt seit seiner Jugend als sehr schwierig. Hamin E., ein in Hamburg geborener Iraner, schwänzte die Schule, fiel kriminell auf, nahm Drogen. Oft befand er sich wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung. Zuletzt erschien er Anfang Januar in der Notaufnahme und erklärte wohl, er fühle sich verfolgt. 18 Tage später wurde er aus der Psychiatrie in Hamburg entlassen – wegen „fehlender akuter Eigen- und Fremdgefährdung“.

Am nächsten Tag starb Amanda K.  Sie hatte keine Chance. Hamin E. soll plötzlich von hinten angegriffen haben. Die junge Frau mit dem Handy in der Hand stand ein bis eineinhalb Meter von der Bahnsteigkante entfernt. Mit großer Wucht und mit Tötungsabsicht soll er die völlig Arg- und Wehrlose vor die Bahn gestoßen haben. Die Fahrerin leitete zwar sofort eine Notbremsung ein. Doch Amanda K. wurde überrollt.

Nach und nach wurden Details bekannt

Das Verbrechen schockierte. Viele kamen und trauerten auf dem Bahnhof um die junge Frau, die erfolgreich ihr Abitur abgelegt hatte, dann einen Job fand und sich eine Ausbildung zur Kauffrau wünschte. Blumen und Botschaften wurden niedergelegt. Darunter auch ein Brief von der Mutter und der Schwester. „So schnell bist du von mir gegangen, du warst und bist mein Alles, mein Baby, meine Große, meine Beste und meine Schönste“, schrieb die Mutter. Sie hoffe, ihre Tochter sei jetzt an einem sicheren Platz. „Keine Worte der Welt bringen dich zu mir zurück, aber ich werde dich für immer im Herzen tragen.“

Hamin E. hatte sich nach Angaben von Zeugen nach der Tat umgedreht und versucht, den Bahnsteig zu verlassen. Normal sei er gelaufen, hieß es. Mehrere Männer hielten ihn fest und übergaben ihn der Polizei. Seitdem befindet er sich in der Klinik des Maßregelvollzugs. Der 29-Jährige soll an Schizophrenie leiden.

Nach und nach wurden Details aus dem Leben von E. bekannt. Von 2002 bis 2004 befand er sich in Haft – verurteilt in Hamburg wegen Körperverletzung und Raubes. In Haft fiel er renitent auf. Es wurde schließlich eine Schizophrenie diagnostiziert. Eine Bleibe für ihn zu finden, blieb schwierig. Er soll in Wohngemeinschaften und im betreuten Wohnen aggressiv aufgefallen sein. 2007 wurde E. erstmals unter Betreuung gestellt. Es folgten diverse Aufenthalte in Kliniken. Und er fiel Angaben zufolge weiter durch Straftaten auf. Einmal soll er bei der Polizei erklärt haben, dass er mit dem Leben in Freiheit eben nicht klarkomme.

Fünf Verhandlungstage vorgesehen

Nach Berlin soll er gereist sein, weil er in Hamburg keine Zukunft mehr für sich sah. Nach einer Schwarzfahrt mit einem ICE meldete sich E. in einer Unterkunft für Obdachlose in der Franklinstraße. Doch die war belegt. Er wurde zu einer Einrichtung am Bahnhof Zoo geschickt. Zwei Stunden nach seiner Ankunft in Berlin folgte der Angriff.

Hätte E. gestoppt werden können? 2015 sollen in Hamburg mehrere Verfahren zumeist wegen Diebstahls und Sachbeschädigung eingestellt worden sein. Auch, weil er als schuldunfähig galt. Die Staatsanwaltschaft will seine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie.

Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage vorgesehen. Der Vater von Amanda K. wird dem mutmaßlichen Mörder seiner Tochter als Nebenkläger gegenübersitzen.

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