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Berlin: Heimat ohne Heim

Das Pflegehaus für Muslime galt als Meilenstein – und ist nun gescheitert.

Berlin - Mit türkischsprechendem Personal und islamischen Bräuchen warb das Interkulturelle Pflegehaus Kreuzberg „Türk Bakim Evi“, Deutschlands erstes Seniorenhaus für Muslime. Nach fünf Jahren haben die Betreiber der Marseille-Kliniken AG das Konzept nun aufgegeben und neu ausgerichtet. Wegen der Notwendigkeit, „Pflegeeinrichtungen erfolgreich und auch kostendämpfend zu positionieren“, teilte der Konzern mit.

Das 2007 eröffnete Projekt „Türk Bakim Evi“ in der Methfesselstraße erinnerte ein wenig an eine Jugendherberge, nur mit orientalischen Accessoires. Es gab rituelle Waschungen, türkische Kochkurse, einen Gebetsraum gen Mekka. In einer Teestube schenkten Pfleger türkischen Tee aus, über Flachbildfernseher liefen die Programme türkischer und arabischer Sender. Die Bewohner sollten sich wohlfühlen und ihren rituellen Gewohnheiten nachgehen. Soweit das Konzept. Doch in der türkischen Gemeinde fand das offenbar keinen Anklang.

Rund 23 000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, die über 60 Jahre alt sind, leben in der Stadt, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Donnerstag mit. Doch im Seniorenhaus in Kreuzberg wohnen – das wollten die wenigsten. Von 140 Betten waren im vergangenen Jahr nur 66 belegt. Das war für die Marseille-Kliniken AG Anlass genug, das Konzept zu ändern.

Gebetsraum? Türkisches Fernsehen? Migranten? Davon steht nichts mehr auf der Internetseite der Einrichtung. Stattdessen ist von einer Spezialisierung auf „Menschen mit Demenz und Abhängigkeitserkrankungen“ die Rede. Diese Spezialisierung sei auch der Grund für die Namensänderung, heißt es weiter. Künftig nennt sich das Heim nur noch „Pflegehaus Kreuzberg“. Das Wort „Interkulturelles“ musste weichen, auch Personal wurde entlassen. Die Firma trennte sich von zwölf Mitarbeitern – drei weitere seien entlassen worden, weil sie den Betriebsfrieden gestört hätten, heißt es in der Konzern-Mitteilung. Die Gewerkschaft Verdi wirft dem Unternehmen hingegen „Wildwest Methoden“ vor. Die Kündigungen seien erfolgt, um die Bildung eines Betriebsrates zu verhindern. Die Marseille-Kliniken AG weist dies zurück und begründet die Kündigungen mit der „konzeptionellen Neuordnung des Pflegehauses.“ Isabelle Buckow

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