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Bei den Genossen: Hunderttausende kamen zum „Deutschlandfest“ auf den 17. Juni, wo die SPD am Wochenende ihr 150-jähriges Bestehen feiert. Ist das etwa kein Wahlkampf? Aber natürlich, findet CDU-Mann Philipp Lengsfeld.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein CDU-Mann auf der SPD-Festmeile in Berlin: Im Nahkampfmodus

Gerhard Schröder fühlt er sich ein wenig nahe, Andrea Nahles ist für ihn Dirigismus und Softeis erinnert ihn immer an den Osten: Der Tagessspiegel spazierte mit dem CDU-Bundestagskandidaten für Mitte, Philipp Lengsfeld, über das „Deutschlandfest“ der SPD.

Der Vorschlag reizte ihn offenbar: Philipp Lengsfeld, CDU-Bundestagskandidat in Mitte, war bereit, mal über die SPD-Festmeile auf der Straße des 17. Juni zu gehen und dabei über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen seiner Partei und deren wichtigen Gegnerin zu sprechen. Ein bisschen Polit-Kultur-Analyse, ein bisschen Gegrübel über Nähe und Ferne zwischen CDU und SPD – und angesichts der feiernden Menge die Prüfung der Frage, ob es politisch korrekt war und ist, dass SPD-Stadtentwicklungssenator Michael Müller die einwöchige Sperrung des 17. Juni erlaubte, nachdem der erstzuständige Stadtrat, der CDU-Mann Carsten Spallek die Straße nicht so lange hatte verkehrsberuhigen wollen.

Lengsfeld, derzeit noch Bezirksverordneter in Pankow und von Haus aus politisiert, etwa durch seine bekannte Mutter, die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, fremdelte deutlich bei der Veranstaltung. Was weniger an seinem grauen Jackett lag, das er inmitten einer Menge voller T-Shirt- und Freizeithosenträger trug als an der Massivität, mit der die Farbe Rot die Sehnerven bestürmte. Was rot sein konnte, war rot, von Gratis-Luftballons bis zu den „Dialogboxen“ und den Kunststoffzelten, in denen „Talks“ stattfanden. Einzige Ausnahmen: der grünliche VW-Käfer des berühmten Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter („Ihr Völker der Welt...“), der unter einem Zelt ausgestellt wurde und an die Bescheidenheit der Politiker in der Nachkriegszeit gemahnte, sowie die violette Bluse von SPD-Generalin Andrea Nahles, die, umgeben von Mitarbeiterinnen und besichtigt von einer Kamera, die Festmeile von der Bühne am Brandenburger Tor bis zum Riesenrad auf der Kreuzung Yitzhak-Rabin-Straße gemessen Schrittes ablief und hier und da und dort plauderte.

Spätestens der Anblick der SPD-Generalsekretärin mitten in seinem angestrebten Wahlkreis brachte den 41-jährigen CDU-Mann Lengsfeld dazu, die Namen derer zu nennen, denen er sich ein klein wenig nahe fühlt: Otto Schily, – unter Vorbehalt – Gerhard Schröder, Wolfgang Clement – der der SPD nicht mehr angehört. „Das ist Politik der Mitte“, sagte Lengsfeld – oder eher: das war die Mitte, von der nach Auffassung des CDU-Manns nicht mehr viel übrig ist. Andrea Nahles – das ist für ihn Dirigismus, den Grünen näher als der mittigen CDU. Dann sieht er die Band „Storch Heinar“, die einen Stoff-Storch als Mitglied hat, und ist einen Moment lang angetan von der seltsamen Truppe, die einen Rock-Klassiker mit Antifa-Impetus auflädt. Ein Blick in ein rotes Zelt, dessen meisten Insassen der Schweiß auf der Stirn steht – außer Manuela Schwesig. Die Arbeitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern ist wegen ihrer klaren Ausdrucksweise und womöglich auch wegen ihres guten Aussehens vom Kaliber „Hoffnungsträger“. Für die SPD hat sie die Fundamentalkritik am Betreuungsgeld übernommen. Ihr Anblick provoziert Lengsfeld zu einer kurzen, heftigen Rechtfertigung dieser neuen Extra-Leistung des unionsgeführten Sozialstaats: Es sei, sagt er, das Gegenstück zu den Kosten der Kita-Plätze für Leute, die diese nicht in Anspruch nähmen.

Lengsfeld kauft sich ein Eis, Vanille-Schokolade. Zwei Euro fünfzig, „nicht gerade sozial, der Preis“, sagt er, und dann: „Softeis erinnert mich immer an den Osten.“ Geboren ist Lengsfeld in der DDR, die ihn, den Schüler, 1988 herausgeworfen hat, weil er und andere an der Carl-von-Ossietzky-Schule versucht hatten, ein Recht auf freie Meinungsäußerung durchzusetzen.

Seine Herkunft erklärt manches von der Kritik an der Nahles- und Schwesig-SPD und deren Spitzenkandidaten, dessen Rede-Honorare Lengsfeld zum Kopfschüttler werden lassen. Na klar, auch er ist längst im Wahlkampfmodus, und der Aufenthalt auf dem 17. Juni mit seinen massiven roten Impulsen verstärkt das nur. Dass das Massenevent – 200 000 Menschen bis nachmittags – eine große Geburtstagsfeier sein will, glaubt er nicht. „Lächerlich, dass das kein Wahlkampf sein soll“, sagt er bloß.

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