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Martin Schulz ist die neue Hoffnung der SPD.

© Roland Weihrauch/dpa

Kanzlerkandidat: Wie Martin Schulz der Berliner SPD hilft

Der Gegner heißt AfD, der Hoffnungsträger Schulz: Zu Besuch bei der SPD in Marzahn-Hellersdorf.

Die Hoffnung ist 61 Jahre alt, kommt aus Würselen und trägt Brille und Bart. Zumindest wenn es nach der SPD geht. Denn ihre neue Hoffnung heißt Martin Schulz. Am Dienstag kürte Sigmar Gabriel den ehemaligen Europapolitiker zu seinem Nachfolger, schlug Schulz als neuen Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der SPD vor. „Er hat die besten Chancen“, hatte Gabriel gesagt und damit Deutschland und die Genossen selbst überrascht. Auch in Berlin.

Einige Tage darauf diskutierten SPD-Mitglieder auf der Abteilungsversammlung in Biesdorf-Nord in Marzahn-Hellersdorf den überraschenden Coup. 16 Anwesende, viele Männer, ein paar Frauen, Jung und Alt gemischt. Sie sitzen in einer Wirtschaft, essen Schnitzel und Spiegelei, trinken Limo und Bier. Die große Mehrheit scheint zufrieden mit der Entscheidung. „Gabriel hat meinen Respekt. Das war notwendig.“ „Der Rheinländer wird ein guter Kontrast zur kalten Physikerin.“ „Noch ist er aber unerfahren in der Bundespolitik.“ „Er wird Wind in die Sache bringen.“ „Er ist die beste Wahl gegen rechts.“ In einem Bezirk wie Marzahn-Hellersdorf scheint gerade Letzteres von Bedeutung.

Die SPD hat es schwer in Marzahn-Hellersdorf

Hier spüren die Sozialdemokraten den unmittelbaren Druck der AfD – nicht nur in den Großsiedlungen, sondern auch in den Einfamilienhaus-Gebieten wie Biesdorf. Bei der Abgeordnetenhauswahl im September vergangenen Jahres holte die AfD die meisten Zweitstimmen. Und auch bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung erreichte sie aus dem Stand mehr als 20 Prozent, mehr als die SPD. Die musste Stimmen einbüßen, verlor ihren Bürgermeisterposten an die Linke. „Die Wahlen waren eine ganz starke Enttäuschung“, sagt Jens Dreger, Vorsitzender der SPD in Biesdorf-Nord. Früher sei die Linke hier der Hauptgegner seiner Partei gewesen, heute sei es die AfD.

Dreger glaubt, dass Schulz gerade im Umgang mit den Rechtspopulisten der richtige Kandidat sei. „Er hat die Fähigkeit zu integrieren und kann es schaffen, Leute zurück in den Diskurs zu holen“, sagt er. „Er kann eine Alternative zur AfD sein.“ Wichtig sei allerdings, dass er es nun schaffe, Themen zu setzen. In der Bundespolitik hat Martin Schulz noch wenig Erfahrung.

Der neue Optimismus an der Basis ist für die SPD enorm wichtig, wird der Wahlkampf doch vor allem von unten getragen. Die Mitglieder werden diejenigen sein, die Infoblätter verteilen und sich in die Fußgängerzonen stellen.

Der Regierende Bürgermeister und Landesvorsitzende der SPD, Michael Müller, gibt sich sicher, dass es Martin Schulz gelingen werde, seine Partei zusätzlich für den Wahlkampf zu mobilisieren. „Er hat nicht zuletzt im Europa-Wahlkampf gezeigt, dass er die Menschen begeistern kann. Das ist vielen SPD-Mitgliedern in Berlin noch in guter Erinnerung. Schulz ist ein Sozialdemokrat mit einer klaren Haltung. Mit ihm wird die Chance auf einen Wandel in Verbindung gebracht“, sagt Müller. Innerhalb von zwei Tagen habe die Berliner SPD bereits 100 Neumitglieder gewonnen. Bundesweit sollen es seit der Nominierung bereits 500 sein. Eine genaue Zahl konnte die Bundes-SPD am Sonnabend nicht nennen.

Zurück nach Marzahn-Hellersdorf, wo die Schnitzel aufgegessen und die ersten Biere geleert sind. Hier sitzt auch Rudi Kujatz, 73 Jahre, bereits seit 56 Jahren Parteimitglied. Auch er hält Schulz für den optimalen Kandidaten, hofft, dass er sich wieder mehr auf die Geschichte der Partei besinnt und soziale Gerechtigkeit in den Fokus rückt. Allerdings gibt er zu bedenken: „Wir sind eine kritische Partei und gut darin, unsere Vorsitzenden zu kritisieren.“ „Wir sind gut darin, uns selbst zu zerlegen“, ergänzt eine Frau. Am heutigen Sonntag soll der SPD-Parteivorstand Martin Schulz in Berlin offiziell als Kandidaten nominieren. Danach geht es für den Mann mit Bart und Brille erst richtig los.

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