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Knochen

© ddp

Archäologie: Knochenarbeit am Alex

Archäologen legen Skelette auf der Baustelle eines Parkhauses frei. Vor 250 Jahren war hier ein Friedhof.

Woran die Menschen gestorben sind? Muss man abwarten, sagt Torsten Dressler, der Chef-Archäologe. Das wird noch genau untersucht, wenn die Knochen gesäubert und im Landesdenkmalamt angekommen sind. Erst mal ist wichtig, alle zu finden und behutsam aus der Erde zu holen. Und zwar schnell, sagt Dressler. „Die Baufirma sitzt uns im Nacken. Die wollen hier weitermachen.“

Es ist Freitagmorgen, Torsten Dressler steht in der riesigen Baugrube am Alexanderplatz, vor ihm das Bundesumweltministerium, in seinem Rücken das Hotel Park-Inn. Eigentlich wird hier gerade eine Tiefgarage gebaut, für 600 Autos. Aber auf einen kleinen Abschnitt, nur 20 mal 40 Meter lang und durch Absperrbänder begrenzt, dürfen die Bagger nicht. Hier ist jetzt Dresslers Arbeitsplatz.

Mit Schaufeln und kleinen Pinseln legen er und sieben Kollegen die Knochenreste frei. Die ersten Funde wurden noch nicht so sorgsam behandelt: Anfang Februar stießen Bauarbeiter beim Buddeln auf mehrere Schädel, die haben sie erstmal an den Rand gelegt, erzählt Dressler. Irritierte Passanten riefen die Polizei, man weiß ja nie, was so Knochen zu bedeuten haben.

Eines steht inzwischen fest: Die Funde gehören zu einem Friedhof der St.- Georgen-Gemeinde, er wurde 1713 eröffnet und schon 1810 wieder geschlossen. Die Überreste von 50 Verstorbenen hat Dressler bisher entdeckt, 80 werden es am Ende wohl sein, sagt er. Hunderte weitere dürften nebenan unter der Alexanderstraße oder dahinter unter dem Ministerium liegen. Torsten Dressler drückt sich diplomatisch aus: „In der DDR hatten sie keine Zeit, bei Bauarbeiten Archäologen um Rat zu fragen.“

Dabei sei das, was er hier vorfinde, ein „Gourmetstück der Zeitgeschichte“. Er meint nicht nur die Knochen, sondern auch einige alte Mauerreste. Die werden ebenfalls mit Pinseln freigelegt. Warum sie so wichtig sind, weiß Michael Hofmann vom Landesdenkmalamt: „Das sind Reste einer Exerzierhalle“. Friedrich der Große hat die errichten lassen, damit seine Soldaten im Winter überdacht das Marschieren und Salutieren üben konnten. Und zwar mitten auf dem Friedhof, der damals noch benutzt wurde. Natürlich ohne vorher die Gräber umzubetten. Hofmann runzelt die Stirn. Heute wäre das undenkbar, sagt er. „Aber damals konnte der Herrscher ja entscheiden, wie er wollte.“ Die Geschichte mit der Exerzierhalle ist wissenschaftlich belegt. Und Torsten Dressler, der Archäologe, hat Beweise. „Wir haben Uniformknöpfe gefunden“, sagt er. Die seien den Soldaten bei Übungen abgefallen. Er holt eine grünlich schimmernde Scheibe aus einer Tüte, es klebt noch Erde dran. „Den müssen wir erst säubern.“ Aber tatsächlich, es könnte ein Knopf sein.

Die Mauern kommen auch weg, wie die Knochen. Die hätten hier keine Chance, weiß der Mann vom Landesdenkmalamt und guckt nicht ganz glücklich. Aber vielleicht könne man ja – wenn die Tiefgarage fertig ist und darüber die sechsspurige Straße verläuft – auf dem Mittelstreifen eine Hinweistafel anbringen. Und die Knochen werden auf dem Friedhof in der Greifswalder Straße begraben. Damit die armen Seelen ihren Frieden finden, sagt der Archäologe.

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