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Freigekauft. Bei diesem Haus in der Kreuzberger Wrangelstraße hat der Bezirk jetzt zum ersten Mal sein Vorkaufsrecht ausgeübt. Noch kann der bisherige Eigentümer Widerspruch einlegen.

© Thilo Rückeis

Mieten und Milieuschutz in Berlin: Mehr Geschenk als Geschäft

Kreuzberg kauft ein Haus, um die Mieter vor einem Spekulanten zu schützen. Das hätte jeder gern, doch es bleiben viele offene Fragen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Gilt Eigentum nichts in Berlin? Darf man sein eigenes Mietshaus nicht mehr verkaufen in der Kreuzberger Räterepublik? Dem Besitzer, dem der grün regierte Bezirk per Vorkaufsrecht sein Haus abnimmt, wird das wohl so vorkommen. Ein Signal ist es allemal, auch über Berlin hinaus. Klar ist, dass sich die Mieter freuen, die jetzt sehr niedrige Mieten zahlen. Für alle anderen Berliner bleiben viele offene Fragen.
So ein drastischer Fall war nur eine Frage der Zeit. Denn der verschärfte Milieuschutz, der in Berlin in 21 Gebieten mit 160 000 Wohnungen gilt, sieht ein solches Eingriffsrecht ausdrücklich vor. Es ist das schärfste Folterinstrument im Arsenal der Verwaltungen – nach Umwandlungsstopp für Miet- in Eigentumswohnungen, zehnjährigem Kündigungsschutz für Mieter, Verbot der Wohnungszusammenlegung oder Luxussanierungen. Ob der Anbau von Balkonen, ein zweites Bad oder Fußbodenheizung Luxus sind, ist eine andere Frage.

Die Kosten werden an den Steuerzahler weitergegeben

Nun dürften sich freilich viele Mieter fragen, ob sich gute Beziehungen zum Amt auszahlen und warum der Bezirk nicht auch ihr Haus kauft. Dafür wird das Geld nicht reichen. Und es geht auch nicht um Kreuzberg. Bausenator Andreas Geisel (SPD), der dem Eingriff zustimmen musste, geht es um einen demonstrativen Akt im schon unerklärt begonnenen Wahlkampf. Da will man sich als Partner an der Seite der Mieter präsentieren. Man könnte es auch als politischen Missbrauch sehen, wenn die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die schon die Order zum Wohnungsbau umsetzen müssen, nun ihr Vermögen investieren dürfen, um nette Geschenke zu machen. Für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die neuer Eigentümer werden soll, könnte sich das Kreuzberger Haus nämlich als schlechtes Geschäft erweisen. Denn der zwingende Sanierungsaufwand für das noch mit Kohleöfen ausgestattete Haus wird so hoch sein, dass die Kosten nicht an die Mieter weitergegeben werden können, sondern auf Kosten der Steuerzahler gehen.

Ein Hinweis freilich, dass die Milieuschutzverordnung nicht funktioniert, ist die drastische Maßnahme nicht. Die wird die Ausnahme bleiben; die Investoren fügen sich und die Mietpreisbremse beginnt zu wirken. Berlin ist zudem mal frei davon, ideologisch borniert zu handeln – schließlich wird das Instrument des Vorkaufsrechts seit Jahren in Hamburg oder München genutzt. Die Investoren haben freilich schon ihre Schlüsse aus der neuen Situation gezogen. Sie gehen mit den Plänen zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zunehmend in Gebiete ohne Milieuschutz. Und für Neubauten gilt der Milieuschutz nicht.

Ob die ultimative Waffe gegen Hausbesitzer greift, wird sich noch vor Gericht zeigen. Pikant, dass sich dort die Bundesregierung und das Land Berlin streiten. Denn der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat als erster das Vorkaufsrecht genutzt, um der Bundesimmobiliengesellschaft Bima ein Wohnhaus abzunehmen. Die Richter müssen klären, ob dem trickreich enteigneten Besitzer der Verkehrswert oder – wie der Bund verlangt – der weit höhere Marktwert gezahlt werden muss. Gewinnt der Bund, könnte das Investoren auf interessante Gedanken bringen.

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