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Jugendamt und Parlament befassen sich mit dem Fall Zoe.

© dpa

Nach Tod der zweijährigen Zoe: Debatte über Kinderschutz im Abgeordnetenhaus

Der tragische Tod der zweijährigen Zoe hat in Berlin eine neue Debatte über den Kinderschutz ausgelöst. Doch Vorschläge, ob und wie das Leben des Kindes zu retten gewesen wäre, gab es nicht.

Der in gedämpftem Ton vorgetragene Wortreichtum konnte die Ratlosigkeit nur schwer verbergen, als das Abgeordnetenhaus am Donnerstag aus aktuellem Anlass über den Kinderschutz debattierte – neun Tage nach dem Tod der zweijährigen Zoe in Weißensee, deren Eltern mit ihrer Betreuung offenbar völlig überfordert waren.
Alle Fraktionen hatten sich auf die Aktuelle Stunde geeinigt. Und keine versäumte einen Dank an jene, die Tag für Tag für das Wohl von Kindern kämpfen, für die sonst niemand kämpft. Auch das Bekenntnis zu maximalem Kinderschutz fehlte nie. Doch zu der Frage, warum das kleine Mädchen gewissermaßen unter den Augen des Staates sterben konnte, gab es nur Warnungen vor voreiligen Schuldzuweisungen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) betonte, Berlin sei mit seinem 2007 geschaffenen Netzwerk Kinderschutz bundesweit vorbildlich. Seitdem gebe es verbindliche Einladungen zu Vorsorgeuntersuchungen, einheitliche Standards für die Betreuung und für Ernstfälle die rund um die Uhr erreichbare Kinderschutz-Hotline. 19.000 neue Kitaplätze und 26 Familienzentren beweisen, „dass der Kinderschutz für Berlin im Mittelpunkt steht“.
Die Linken-Abgeordnete Katrin Möller sieht die Habenseite kritischer: Die Bezirksvergleiche mit „Produktpreisen“ würden Ämter und freie Träger zum Preiskampf im Umgang mit Menschen zwingen. Ursache sei die Sparpolitik, die auch ihre eigene Partei bis vor kurzem im Senat mitgetragen habe, sagte Möller. Die Grüne Marianne Burkert-Eulitz beklagte die „Hilfe nach Kassenlage“, deretwegen jene, die die tatsächliche Verantwortung tragen, immer wieder um ihre Arbeitsplätze zittern müssen.
Das Bezirksamt Pankow hat inzwischen einen Bericht zum Tod des Mädchens bei der Senatsverwaltung vorgelegt. Jugendstadträtin Christine Keil (Linke) sieht durch die Aufarbeitung ihr Fazit bestätigt, dass die Gefährdung des Kindes für die Behörden nicht erkennbar war. „Es gab eine sehr große Hilfedichte“, sagte Keil dem Tagesspiegel, „die Familie ist von verschiedenen Seiten beraten worden, alle drei Geschwister waren dem Kinderarzt bekannt“. Der Abgeordnete Roman Simon (CDU) meldete zumindest leise Zweifel am Funktionieren des Jugendamtes an. Doch ebenso wie alle anderen Redner betonte er, dass zu allererst die Eltern für das Wohl ihrer Kinder verantwortlich seien. Dazu müsse eine konsequente „Kultur des Hinsehens“ kommen, wie Simon es nannte.
Stadträtin Keil berichtet, dass die knappen Kapazitäten des Jugendamtes auch von Eltern aus der Mittelschicht gebunden würden. So würden besser Situierte beispielsweise bei Konflikten in der Familie oder psychischen Problemen besonders aktiv um Hilfe suchen. „Das sind Eltern, die eher in der Lage sind, ihre Anforderungen gegenüber Behörden zu formulieren.“ Bildungsferne Eltern scheuten dagegen eher vor Behördengängen und Formularen zurück. „Aber wir vernachlässigen sie deshalb nicht“, stellte die Stadträtin klar.

Zwar sei dem Amt weder erlaubt noch möglich, aktiv alle Familien aufzusuchen, aber alle Beteiligten seien sensibilisiert, die Augen offen zu halten. Als beispielhafte Errungenschaft nannte Keil die Hebammenbesuche nach der Geburt: Erfahrene Hebammen „haben einen guten Blick“, wie die Eltern zurechtkommen.

Dass die Nachfrage von Eltern aus der Mittelschicht zulasten der dramatischsten Fälle geht, sieht Keil nicht: „Auch studierte Alleinerziehende haben objektiv Bedarf an Unterstützung.“ Dank verbesserter Zusammenarbeit mit dem Familiengericht und beschleunigter Verfahren könne das Amt zudem Eltern zu konstruktiver Mitarbeit zwingen. Ob und wie die Ämter das Leben des Kindes hätten retten können, war bisher nicht zu erfahren.

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