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Neukölln: Bewährungsstrafe nach sexuellem Missbrauch wirft Fragen auf

Sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person - so lautete am Montag das Urteil gegen drei Jugendliche, die sich vor zwei Jahren in Neukölln an einer Frau vergingen. Warum gab es keinen Schuldspruch wegen Vergewaltigung? Und warum wurden Bewährungsstrafen verhängt?

Drei Jugendliche, die sich auf einem Spielplatz an einer Frau vergangen hatten, bleiben frei. Zwei Jahre nach dem Sexualverbrechen verurteilte das Berliner Landgericht die heute 17- bis 19-Jährigen zu Bewährungsstrafen von elf bis 13 Monaten. Zudem sollen sie je 500 Euro Schmerzensgeld an das damals 20-jährige Opfer zahlen. Die Richter sprachen die Jugendlichen am Montag des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person schuldig. In der Anklage war die Staatsanwaltschaft noch von mehrfacher Vergewaltigung ausgegangen. Mit dem Urteil, hieß es, könnten alle – auch Staatsanwaltschaft und Nebenklage – leben. Ob dennoch Rechtsmittel eingelegt werden, blieb zunächst offen.    

Eine Entscheidung, die milde klingt und viele Fragen aufwirft. Doch nur wenig drang aus der unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlung. Die Verteidiger zeigten sich ebenso schweigsam wie Anklägerin und Nebenkläger. Die Geständnisse der Jugendlichen, durch die der heute 22-jährigen Frau weitere quälende Befragungen erspart blieben, werden strafmildernd honoriert worden sein. Möglicherweise ist dies ein wichtiger Grund dafür, dass Bewährungsstrafen verhängt wurden. Die genauen Beweggründe des Gerichts sind aber nicht öffentlich bekannt.

Bei dem Schuldspruch spielte der Zustand der Frau eine Rolle. Sie habe bereits unter dem unter Einfluss von K.O.-Tropfen oder Ecstasy gestanden, als sie in der Nacht zum 3. Juni 2011 auf dem U-Bahnhof Hermannstraße in Neukölln auf ihre späteren Peiniger traf.

Ob sie die Betäubungsmittel zuvor selber konsumiert hatte oder ob sie ihr auf einer Party in ein Getränk gemixt worden waren, blieb offen. Fest steht: Es kam auf dem Bahnhof zunächst zu einer Plauderei und auch zu einem von der Frau freiwillig geführten Techtelmechtel mit einem der drei Angeklagten. Als sie ging, blieb das Trio an ihrer Seite. Die Jugendlichen wollten Sex. Sie habe abgelehnt, sei dann auf einen Spielplatz gedrängt, festgehalten und missbraucht worden. Das Opfer wurde unmittelbar nach der Tat von einer Passantin gefunden, und es wurden am Tatort Spuren gesichert. Die Frau war aber derart traumatisiert, dass sie erst Wochen später in der Lage war, das Geschehen genauer zu schildern.  

Ein Jahr nach dem brutalen Überfall suchte die Polizei mit Aufnahmen einer U-Bahn-Überwachungskamera nach drei mutmaßlichen Vergewaltigern. Plötzlich war der Fahndungsdruck für die Täter groß. Am Abend der Veröffentlichung stellten sich die Jugendlichen aus arabischen und türkischen Familien. Nach der Tat hatten die Ermittler auf dem Spielplatz Kondome gefunden. DNA-Spuren belasteten zwei der Verdächtigen. Die Jugendlichen aber sollen bei der Polizei die Vorwürfe bestritten haben. Von einvernehmlichem Sex sei die Rede gewesen.

Zwar wurden die Jugendlichen im Juni festgenommen, doch vier Monate später waren alle wieder frei. Es bestehe keine Fluchtgefahr, die Jugendlichen hätten gefestigte soziale Kontakte, entschied ein Haftrichter. Als Ende November der Prozess begann, kam es zu einer Überraschung: Der Jüngste sagte aus. Es sei ein Teilgeständnis gewesen, hieß es. An den folgenden Tagen traten auch seine Freunde mit geänderter Strategie auf. „Die drei Angeklagten haben zugegeben, dass es zu sexuellen Handlungen gegen den Willen der Frau kam, alle drei wirkten mit“, sagte ein Sprecher.

Warum gab es keinen Schuldspruch wegen Vergewaltigung? Bei der Frage wurde auf den Zustand der Frau verwiesen, die unter Einfluss von Betäubungsmitteln stand. Sie sei psychisch nicht zur Abwehr in der Lage gewesen, sie sei – juristisch gesehen -  widerstandsunfähig gewesen. Die Angeklagten hätten das ausgenutzt. Weniger Strafe als bei einem Schuldspruch wegen Vergewaltigung ist bei einem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, bei dem es zum Eindringen in den Körper kam, jedoch nicht verbunden. Nach dem Erwachsenenstrafrecht drohen jeweils zwei bis 15 Jahre Haft. Für die Täter vom Spielplatz galt jedoch das mildere Jugendstrafrecht.

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