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Parteitage der Koalitionäre: SPD und Linke betonen ihre Unterschiede

Die Regierungsparteien SPD und Linke tagen parallel am Wochenende und schielen schon aufs Bundestags-Wahljahr 2009.

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Von einer wachsenden Distanz in der Koalition mag bisher keiner der Beteiligten reden. Aber dass es in den vergangenen Monaten zunehmend Reibungen zwischen den Regierungsparteien SPD und Linke gibt, spüren beide Seiten. Reizthemen, an denen sich Konflikte entzündeten, sind beispielsweise das Kita-Volksbegehren, der Tarifstreit im öffentlichen Dienst, die Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger oder die provokanten Äußerungen des sozialdemokratischen Finanzsenators Thilo Sarrazin und dessen unzerstörbare Sparphilosophie.

Beide Parteien haben allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass man sich jedesmal, wenn es Streit gab, bald wieder zusammenraufte. An diesem Wochenende wollen die Koalitionspartner auf zwei parallel stattfindenden Parteitagen den weiteren Kurs bei wichtigen Themen festlegen. Vor der Europawahl im Mai und der Bundestagswahl im September 2009 geht es darum, wer sich mit welchen Themen besser profilieren kann: Die Sozialdemokraten („Das soziale Deutschland“) oder die Linke („Original sozial“).

SPD setzt auf Bildung und Sozialpolitik

Konkurrenz belebt das Geschäft – und erhöht die Produktivität. Dieser urkapitalistischen Regel folgt Rot-Rot in Berlin schon seit Jahren. Und mit dem bundesweiten Erstarken der Linken hat sich der Druck auf die Berliner SPD noch erhöht, im politischen Wettbewerb mit dem Koalitionspartner innovationsfähig zu bleiben. Jeder macht seins, manchmal gibt es Streit, trotzdem streben beide Parteien ungefähr in dieselbe Richtung. Der SPD-Landesparteitag am Sonnabend macht das wieder deutlich.

Allerdings haben die Sozialdemokraten schon im Juni beschlossen, was die Linken erst morgen vorhaben: Ein Bekenntnis zur Stärkung der zwölf Bezirke, bei gleichzeitigem Verzicht auf bezirkliche „Koalitionsregierungen“ (Politisches Bezirksamt). Die SPD freut sich über ihre wegweisende Rolle. Da sehe man doch wieder, wer die Avantgarde sei, wird in Parteikreisen gescherzt. Auch die Parteitagsanträge zur Sozial-, Integrations- und Bildungspolitik zeigen, dass die SPD im Wettlauf mit der Linken um die Wählergunst die Nase vorn behalten will.

Ein Mindestlohn von 7,50 Euro bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, eine finanzielle Absicherung des öffentlichen Beschäftigungssektors, keine Lohneinbußen bei der Ausgliederung öffentlicher Aufgaben, ein Mietspiegel mit geringen Erhöhungsspielräumen und ein Sozialticket für 19 Euro statt 33,50 Euro monatlich. Solche Beschlüsse könnte auch ein Parteitag der Linken fassen, teilweise hat er dies auch schon getan. Ähnliches gilt für die Forderung, die S-Bahn in staatlicher Hand zu belassen, das Schulsanierungsprogramm aufzustocken, das Aufenthaltsrecht für Ausländer zu liberalisieren oder noch verbliebene Atomwaffen auf deutschem Boden restlos zu entfernen. Für alle diese Anträge wird es auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten eine satte Mehrheit geben.


Linke will Bezirke stärken und Sarrazin trotzen

Mit Koalitionen ist es wie mit menschlichen Beziehungen, findet Linkspartei-Chef Klaus Lederer: „Man soll nicht so tun, als ob da immer eitel Sonnenschein wäre.“ Hin und wieder sei man eben anderer Meinung. „Dann suchen wir nach gemeinsamen Lösungen – das soll das Publikum ruhig mitbekommen.“

Eine weitere Runde sozialdemokratisch-linker Lösungsversuche mit Konfliktpotenzial ist am Wochenende zu erleben. Da will der Linken-Parteitag ein großes Reformvorhaben beschließen, das vor allem SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin kaum Freude bereiten wird.

Die Linke will, so sieht es ein Antrag des Parteivorstands vor, mit einer Verfassungsänderung die Bezirke stärken. Die Kernforderungen: Die Bezirksämter sollen einen größeren Anteil des Landeshaushaltes und mehr Personal bekommen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Dabei geht es um dreistellige Millionensummen. Die Aufgaben von Land und Bezirken sollen neu verteilt werden, das Abgeordnetenhaus soll mehr mitreden. Und die Bürger sollen mehr Mitsprache bekommen.

Den zu erwartenden Konflikt mit Teilen des Koalitionspartners und vor allem mit dem Finanzsenator geht man sportlich an. Zwar wolle auch die Linke den Haushalt von weiterer Verschuldung freihalten. „Aber wir werden nicht jede Abrissbirne durch die Stadt treiben“, sagt Lederer mit Blick auf die Finanzkrise, die den Spardruck auf Berlin erhöhen dürfte. Man werde die Auseinandersetzung mit Sarrazin und seiner Partei führen – als „inhaltliche Debatte“, nicht durch „Gedöns“, wie Lederer die Rücktrittsforderung an Sarrazin nennt, die ein Parteifreund in einem Antrag für den Parteitag formuliert hat. Eine rot-rote Entfremdung sieht Lederer noch lange nicht. Man gehe „vertrauensvoll miteinander um“. Und wenn man sich öffentlich beharke, dann meist „augenzwinkernd“.

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