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Die zwei Brüder von Maryam H. sitzen wegen der mutmaßlichen Tötung ihrer 34- jährigen Schwester auf der Anklagebank des Kriminalgerichts Moabit.

© dpa / Jörg Carstensen

Plädoyers für Montag geplant: Prozess vor Berliner Landgericht um getötete Maryam H. nähert sich dem Ende

Eine Mutter aus Afghanistan soll von zwei ihrer Brüder getötet worden sein. Nach zehnmonatigem Prozess sollen am Berliner Landgericht die Plädoyers beginnen.

Warum musste Maryam H. sterben? Weil sie ihr Leben nach eigenen Vorstellungen führen wollte und sich nicht mehr allen Vorschriften ihrer Brüder beugte? Oder war es ein Versehen in einem Streit um Geld für die Eltern in Afghanistan, wie einer der beiden Angeklagten erklärte und sich als alleinigen Täter darstellte? Nach zehnmonatigem Mordprozess vor dem Berliner Landgericht sind für den heutigen Montag die Plädoyers geplant. 

Die 34-jährige Maryam H. verschwand am 13. Juli 2021. Drei Wochen später wurde ihre Leiche in einem Erdloch in Bayern gefunden. Spuren führten kurz zuvor zur Festnahme ihrer Brüder Sayed Yousuf H. und Seyed Mahdi H., 27 und 23 Jahre alt. Sie sollen ihre Schwester unter dem Vorwand, eine Wohnung für sie und ihre beiden Kinder gefunden zu haben, aus einer Flüchtlingsunterkunft gelockt haben. 

Die Brüder sollen sie getötet haben, weil „die teilweise moderne Lebensführung“ ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen habe. Sie habe sich Anweisungen ihrer Brüder widersetzt und eine Liebesbeziehung geführt, obwohl sie ihr den Kontakt zu dem Mann verboten hatten, heißt es in der Anklage. 

Ein Handy verriet den Ort der Leiche

Die Männer schwiegen, als im März der Prozess begann. Sie blieben äußerlich regungslos, als Aufnahmen von Überwachungskameras angesehen wurden, die als wichtiges Indiz gelten. Die Bilder zeigen zwei Männer im belebten Bahnhof Berlin-Südkreuz. Der Rollkoffer, den sie am 13. Juli 2021 zwischen vielen Menschen zogen, sah stark ausgebeult aus. 

Um 17.52 Uhr hievten sie den Koffer in einen ICE nach Donauwörth in Bayern, wo der ältere Bruder lebte. Yousuf H. habe sich dann von seiner in dem Ort lebenden Freundin in das 30 Kilometer entfernte Holzkirchen fahren lassen – mit dem Koffer der Leiche im Wagen. Dann sei Yousuf H. mit dem Koffer und einem Spaten in ein Waldstück verschwunden. 

Der Fundort der Leiche von Maryam H. im bayerischen Holzkirchen.
Der Fundort der Leiche von Maryam H. im bayerischen Holzkirchen.

© Thomas Heckmann / BILD

Das Handy der Freundin von Yousuf H. hinterließ eine verräterische Spur, der die Ermittler folgten. Die Frau führte schließlich zur Leiche. Die Bergung dauerte vier Stunden – dokumentiert in 75 Bildern.

Als die Fotos im Prozess auf einer Leinwand gezeigt wurden, hielt sich einer der Brüder die Augen zu. Sie sollen ihre Schwester gedrosselt, gewürgt, ihr dann die Halsschlagader durchtrennt haben. 

Viele Indizien sind nun zu bewerten: Videoaufnahmen, die Auswertung von Handydaten oder die an der Leiche sichergestellte Kuppe eines Einweghandschuhs mit geringer DNA – ein Mischprofil. Die Analyse deutet auf Maryam H. und ihren Bruder Mahdi. Und es geht um Aussagen von Zeugen. Wie die der Kinder der Getöteten. 

Maryam H. soll mit dem Schlimmstem gerechnet haben

„Sie war die beste Mutter der Welt“, sagte der 14-jährige Sohn in einer richterlichen Vernehmung im November 2021, die aufgezeichnet wurde. Seine beiden Onkel aber seien „schlechte Menschen“. Sie hätten seine Mutter geschlagen, kontrolliert, ihr einen Freund verboten.

Die waren so gemein zu ihr, aber sie hat sie trotzdem geliebt.

Die zehnjährige Tochter der verstorbenen Maryam H.

Die Tat habe „nichts mit Ehre zu tun, sondern mit Ehrlosigkeit“. Die zehnjährige Tochter sagte, ihre Mutter habe Übergriffe ihrer Brüder erduldet, nicht zur Polizei gehen wollen. „Die waren so gemein zu ihr, aber sie hat sie trotzdem geliebt.“  

Nähe zu ihren Brüdern und Angst vor ihnen. Eine Freundin von Maryam H. sagte, dass die 34-Jährige ihren Freund vor ihren Brüdern geheim gehalten habe. „Sie durften es nicht wissen, die ganze Familie nicht.“

Maryam H. habe mit dem Schlimmsten gerechnet. Eine andere Zeugin berichtete, die Afghanin habe sich im Laufe der Zeit verändert, sei nicht mehr so schüchtern gewesen, sei selbstbewusster geworden. 

„Ich war so in Wut, ich drückte ihr den Hals zu“

Maryam H. war 2015 nach Deutschland gekommen. 2018 ließ sie sich von dem Mann, mit dem sie als 16-Jährige in ihrer Heimat zwangsverheiratet worden war, scheiden. Sie kleidete sich moderner, machte einen Deutschkurs.

Ihre Brüder waren als Jugendliche nach Deutschland gekommen. Der mutmaßliche Mord im Namen der „Ehre“ hatte eine Debatte um den Begriff Ehrenmord ausgelöst und die gescheiterte Integration von Flüchtlingen. 

Nach sechsmonatigem Prozess brach Yousuf H. sein Schweigen und schilderte einen angeblichen Unfall, für den er allein verantwortlich sei. In der Unterkunft von Mahdi H. in Neukölln sei ein Streit eskaliert. Seine Schwester habe „respektlos“ über die Eltern gesprochen. „Ich war so in Wut, ich drückte ihr den Hals zu“, so der 27-Jährige. Er bereue seine Wut.  

War es gemeinschaftlicher Mord oder juristisch betrachtet vielleicht Körperverletzung mit Todesfolge? Ein Urteil ist bislang für den 19. Januar geplant.

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