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Berliner Justiz: Keine Milde vor dem Fest

Im Kriminalgericht Moabit war Hochbetrieb am letzten Tag vor den Weihnachtsferien. Die Urteile in den zum Teil Aufsehen erregenden Fällen fielen im Stundentakt.

Im Namen des Volkes – das war ein Satz, der gestern in den Sälen des Moabiter Kriminalgerichts ungewöhnlich oft zu hören war. Die Richter gaben offenbar noch einmal Tempo, um so wenige Fälle wie möglich mit ins neue Jahr zu nehmen. Den Anfang beim Kehraus machte die 40. Große Strafkammer: Sie schickte Yalcin S., der im Mai seinen Schwager erschossen hatte, in die Psychiatrie. Der 45-jährige Türke wurde aufgrund einer psychischen Störung für schuldunfähig befunden. Der Fall hatte Aufsehen erregt, weil das spätere Opfer die Polizei vor dem Schwager gewarnt und um Hilfe gebeten hatte – vergeblich. Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte sich später bei den Angehörigen entschuldigt.

Viel Zeit für die Urteilsbegründung blieb den Gerichtsreportern, die man von Saal zu Saal hasten sah, nicht. Denn im Saal 621 ging das Verfahren um V. und zu Unrecht kassierte Fördermittel überraschend zu Ende. Die Materie war kompliziert, und ein Mann wie V. – früherer Geschäftsführer der Islamischen Föderation Berlin (IFB), einem Dachverband mehrerer Moschee-Vereine – hätte es wahrlich in die Länge ziehen können. Doch dann wurde der 39-jährige V. zu insgesamt zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Zudem verhängte das Gericht eine Bewährungsstrafe von neun Monaten.

In dem Prozess ging es um Betrügereien im Zusammenhang mit Projekten zur „Integrationsbegleitung“ oder „Integrationsberatung“. V. habe insgesamt rund 200 000 Euro erschlichen. Allerdings kritisierten die Richter die betrogenen Ämter scharf, weil sie mangelhaft kontrolliert hätten. „Für günstige Gelegenheiten hatte der Angeklagte ein waches Auge“, hieß es. V. bereicherte sich nicht privat. Er wollte Löcher in den Kassen der Vereine stopfen. Ein Viertel des Schadens wurde bereits zurückgezahlt. Bis zur Ladung zum Strafantritt kam der im März verhaftete V. frei.

Unterdessen ging auch der Prozess in Saal 220 zu Ende. Das Gericht verurteilte eine Bulgarin, die 2003 ihren Sohn nach der Geburt erdrosselt und die Leiche in einem Neuköllner Park versteckt hatte. Die 30-Jährige muss für vier Jahre ins Gefängnis. Nebenan bekam ein 22-Jähriger elf Jahre Haft, weil er versucht hatte einen Belastungszeugen zu ermorden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Christian W. im April in einem Lokal mit „absolutem Vernichtungswillen“ von hinten auf einen 38-Jährigen einstach, um sich für eine Strafanzeige zu rächen.

Und dann wurde noch Marcel W. kurz vor dem Fest aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Den inzwischen 26-Jährigen bringt ein fataler Drang immer wieder vor Gericht: Schon als Jugendlicher stahl er immer wieder Busse und kurvte damit durchs Land. „Wenn ick so’nen Bock sehe, muss ick einfach da rauf“, gestand der junge Mann. Diesmal ging es um eine Fahrt ohne Führerschein in einem Ford. Vor zehn Tagen war W. verhaftet worden. „Will versuchen, das Beste aus mir zu machen“, versprach Marcel W. dem Richter. Die Fahrt kostet ihn elf Monate Gefängnis, doch die Zeit bis zum Strafantritt darf er zu Hause verbringen.

Es war ein rasanter Tag vor dem Weihnachtsfest, doch am Nachmittag wirkten die Gänge des Kriminalgerichts bereits völlig verwaist. Der nächste Prozessauftakt ist für den 3. Januar angesetzt.

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