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Hani

© ddp

„Fall Hani“: Mangels Beweisen

Im Fall Kristina Hani kommt es auf die Zeugen an. Die 14-Jährige starb an einer Überdosis und wurde verbrannt. Ihr Dealer bestreitet energisch; Spuren gibt es nicht.

Ein „unsicheres Bürschchen“, ein „schmächtiger Junge“ mit Kindergesicht. So beschreiben die Prozessbeteiligten Ali K. Was der 18-Jährige über das Sterben von Kristina Hani weiß oder vielleicht verschweigt, haben sie gestern nicht erfahren. Denn der junge Angeklagte äußerte sich gestern zum Prozessauftakt nicht. Doch sein Anwalt Richard Radtke sagte nach der nicht öffentlichen Verhandlung auf dem Gerichtsflur: „Er bestreitet die Vorwürfe energisch.“

Ali K. soll der 14-jährigen Gymnasiastin eine tödliche Dosis Heroin gegeben haben. Ihre Leiche war am 16. April 2007 in einem ausgebrannten Koffer in der Grünanlage Thomashöhe in Neukölln gefunden worden. Erst eine Woche später konnte die Identität der Toten festgestellt werden. Fast sieben Monate vergingen, bis der mutmaßliche Täter gefasst wurde. Drogendealer Ali K., damals 17 Jahre alt, muss sich nun wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verantworten.

„Wenn die Anklage stimmt, ist das ein nahezu einmaliger Vorgang“, sagte der Anwalt von Kristinas Mutter. „Möglicherweise hat sich ein Jugendlicher neben eine Freundin gesetzt und gewartet, bis sie stirbt, damit er nicht als Dealer erwischt wird“, sagte Roland Weber. Still saß Kristinas Mutter mit im Gerichtssaal. Sie will verstehen, sagt Weber. „Sie wünscht sich Aufklärung darüber, wie ihre Tochter ums Leben kam“, sagte Weber. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. den lebensbedrohlichen Zustand bemerkte. Er habe sich bewusst gegen einen Notarzt entschieden. Die Anklage lautet jedoch nicht auf Mord, weil für Kristina den Untersuchungen zufolge jede Hilfe zu spät gekommen wäre. Um seine Dealer-Tätigkeit zu vertuschen, soll er die Leiche mit einem bislang unbekannten Komplizen in einen Koffer gezwängt, in den Park geschafft und verbrannt haben.

Die Beweislage aber ist schwierig. Es gibt keine Tatzeugen und keine DNA-Spuren, die den Angeklagten belasten. Die Anklage stützt sich auf Aussagen von früheren Mitgefangenen. Ihnen gegenüber soll er nach seiner Festnahme wegen Drogenhandels auf der U-Bahnlinie 8 mit der Tat geprahlt haben. Die Auffassungen über diese Zeugen gehen weit auseinander. Die Aussagen würden sich widersprechen, hieß es seitens der Verteidigung. Aus Sicht des Anklägers dagegen sind die Zeugen glaubhaft. Sie hätten aus Gewissensgründen nicht schweigen wollen. Einer habe erklärt: „Das hätte meine Schwester sein können.“

Ali K. soll 2003 aus dem Libanon nach Deutschland gekommen sein und wurde wenig später wieder abgeschoben. Zehn Monate später griff ihn die Polizei erneut in Berlin auf. Nach seiner Entlassung tauchte Ali K. unter. Am 9. Oktober 2007 wurde er als Dealer verhaftet. Hat der Araber im Gefängnis tatsächlich Täterwissen offenbart? Oder ist es bloß Wichtigtuerei? „Knastgerüchte“ hätten K. auf die Anklagebank gebracht, sagte der Verteidiger. Für eine Täterschaft gebe es keine Belege. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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