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„Fall Matti“: Freispruch und Strafe

Gegen den Berliner Linken Matthias Z. alias "Matti" liegen keine Beweise für den Angriff auf ein Neonazi-Paar vor. Deshalb sprach das Gericht den 22-Jährigen frei. Zahlen muss er trotzdem.

Von Frank Jansen

Der Freispruch hat für den Angeklagten einen herben Beigeschmack. Das Amtsgericht Tiergarten sieht keine Beweise für eine Beteiligung des jungen Linken Matthias Z. an dem Überfall auf ein Neonazi-Paar im November 2006 in Lichtenberg, so bleibt er straflos. Doch dass Z. in seinem Briefkasten eine Teleskop-Stahlrute aufbewahrte, muss nach Ansicht des Schöffengerichts geahndet werden. Für den Verstoß gegen das Waffengesetz soll der 22-Jährige 1200 Euro zahlen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wäre Z. vorbestraft. Und er müsste vermutlich die Hoffnung begraben, für die 101 Tage entschädigt zu werden, die er als Verdächtiger im Fall des Angriffs auf die Neonazis in Untersuchungshaft saß.

Die drei Verteidiger verkündeten nach dem Urteil sofort, sie wollten Rechtsmittel einlegen. Vermutlich streben sie eine Berufung an. Dann wäre eine Neuauflage des Prozesses zu erwarten. Matthias Z. selbst zeigte sich gelassen: Das Urteil habe ihn „überrascht“. Das Verfahren hat in der linken Szene allerdings von Beginn an weit mehr als Erstaunen ausgelöst. Einer Solidaritätskampagne schlossen sich auch Gewerkschafter sowie Politiker der Grünen und der Linkspartei an.

Richter Ralph Obermeier betonte, trotz des Freispruchs im Fall des Anklagevorwurfs der gefährlichen Körperverletzung sei eine Verurteilung wegen der verbotenen Waffe notwendig, denn „das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und so soll es auch bleiben“. Obermeier verzichtete in seiner nur Minuten dauernden Urteilsbegründung darauf, sich mit den Merkwürdigkeiten des Verfahrens auseinanderzusetzen. Es habe keine Willkür gegeben, bescheinigte der Richter den Strafverfolgern, damit war das Thema abgehakt. Die Verteidiger hatten in ihren Plädoyers einen anderen Ton angeschlagen: Was sich im Verfahren „offenbart hat, trifft in der Tat das Wort Skandal“, sagte der Kölner Anwalt Björn Gercke.

Nach Ansicht der Verteidiger hätte Matthias Z. gar nicht in Untersuchungshaft genommen werden dürfen – oder spätestens bei der Haftprüfung Ende Dezember 2006 freikommen müssen. Der junge Linke war Mitte des Monats in Einzelhaft gesperrt worden, weil das Neonazi-Pärchen ihn belastet hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Matthias Z. sogar wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag. Der Rechtsextremist Sebastian Z. hatte bei dem Angriff von drei Vermummten im U-Bahnhof Lichtenberg am Kopf eine Platzwunde erlitten, seine Freundin Stefanie P. kam mit einer kleineren Verletzung davon. Das Paar präsentierte dem Landeskriminalamt ein Foto von Matthias Z., offenkundig aus dem Bestand der rechtsextremen Spitzelkampagne „Anti-Antifa“.

Ein Polizist sagte allerdings gestern als Zeuge, dass Stefanie P. bei einer Vernehmung im Dezember 2006 zu einem anderen Fall „sehr unglaubwürdig“ wirkte. Doch dann wurde P. geglaubt, als sie später beim selben Termin Matthias Z. belastete. Im Prozess schwächten dann P. und ihr Freund die Aussagen ab. Daraufhin blieb Oberstaatsanwalt Dirk Klöpperpieper nur übrig, Freispruch zu fordern – aber auch 1800 Euro Strafe für die Stahlrute. Mit dem Urteil zeigte sich der Ankläger zufrieden. Obwohl er nicht ausschließen wollte, dass Matthias Z. doch an dem Angriff auf das rechtsextreme Paar beteiligt war.

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