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Fremdenfeindlichkeit: Vorbild in Neukölln - Feindbild an der Ostsee

Zwölf arabisch- und türkischstämmige Jugendliche aus Berlin feierten gemeinsam an der Ostsee, als sie von 30 kahlgeschorenen Männern beschimpft wurden. Bei den Behörden stieß der fremdenfeindliche Vorfall möglicherweise auf Desinteresse.

Jugendliche feierten am Strand, als sie plötzlich beschimpft wurden. Der örtlichen Polizei war der Vorfall zunächst nicht bekannt Die Jugendlichen sollten einmal raus aus Neukölln und die Erfahrung einer Gruppenreise an der Ostsee machen: Doch was die zwölf vorwiegend arabisch- und türkischstämmigen Mädchen und deren drei Betreuer am Dienstag am Strand von Kühlungsborn (Mecklenburg-Vorpommern) erlebten, verhagelte ihnen die gute Stimmung. Gegen 23 Uhr sollen sie von etwa 30 jungen Männern ausländerfeindlich beleidigt worden sein. Das zumindest berichtet einer der Betreuer der Jugendgruppe aus Neukölln, Steen Thorsson. „Sie bedrängten die Gruppe und riefen Sachen wie ,White Power‘ und ,Wir kriegen Euch‘“, sagt er. „Körperlich wurden wir nicht angegriffen.“ Der zuständigen Polizei in Rostock war bis zum gestrigen Donnerstag nichts von dem Vorfall bekannt. Die Gruppe aus dem Jugendfreizeittreff „Joju“ in der Jonasstraße nahe dem Körnerpark war am 3. August in dem beliebten Ostsee-Ort eingetroffen und bezog dort eine Jugendherberge. Finanziert hatte die Reise der Berliner Comedian Kurt Krömer, sagt der Geschäftsführer des Trägervereins, Said Tisini. „Kurt Krömer ist ursprünglich aus dem Neuköllner Kiez und engagiert sich sehr für die Projekte hier.“ Einige der Teilnehmer hatten in diesem Jahr sogar mit einem Filmbeitrag den Wettbewerb um den „Globus Neukölln“ gewonnen.

Die Stimmung sei ausgelassen gewesen, berichtet Betreuer Steen Thorsson. Noch hunderte von Leuten seien gegen 23 Uhr bei der Grillparty mit Lagerfeuerromantik am Strand gewesen. Die Mädchen aus Berliner hätten zur Musik getanzt, als ihnen plötzlich junge Männer abfällige Bemerkungen zuriefen. „Wir wollten dann fortgehen“, schildert der Betreuer. Doch da hätten sich die rund 30 Männer – sie sollen kurz geschorene Haare und T-Shirts mit verbotenen Runen und „White Power“-Aufdruck getragen haben – in den Weg gestellt. „Sie haben uns aggressiv angeschaut und rechte Sprüche zugerufen“, sagt Thorsson. Schockierend für die Gruppe sei gewesen, dass niemand der anderen Feiernden eingeschritten sei. Er habe daraufhin das Polizeirevier in Kühlungsborn aufgesucht. „Auf einem Schild stand, dass man sich bei der Polizei in Bad Doberan melden soll“, sagt er. Dort habe er am nächsten Morgen angerufen und den Sachverhalt geschildert. „Der Beamte klang aber eher desinteressiert“, sagt Thorsson.

Die Sprecherin der zuständigen Polizei in Rostock kann das nicht bestätigen. „Wir haben einen solchen Vorfall nicht gemeldet bekommen.“ Die Beamten hätten erst am Donnerstagvormittag davon erfahren, als der Betreuer und der Jugendherbergsleiter Anzeige erstattet hätten. Dort sei allerdings nicht vermerkt, dass die mutmaßlichen Neonazis am Strand T-Shirts mit „White Power“-Aufdruck getragen hätten. „Wir wollen hier nichts herunterspielen. Schade, dass die Betreuer nicht gleich die 110 gewählt haben, dann wäre sofort ein Funkwagen gekommen“, sagte die Sprecherin Bislang sei weder der Polizei noch dem Bürgermeister bekannt, dass sich Rechtsgesinnte in der Gegend aufhalten und Besucher anpöbeln.

„Der Vorfall war nicht so gefährlich, dass sofort die Polizei hätte gerufen werden müssen“, beteuert der Geschäftsführer des Trägervereins. Doch es sei schlimm genug, dass die Rechten es geschafft hätten, durch ihre aggressiven Sprüche die Gruppe zu vertreiben und die anderen dies geduldet hätten.

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