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Zu einem Polizeiübergriff kam es bei der Demonstration "Freiheit statt Angst" am 12. September 2009.

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Vorwürfe gegen Polizei: Gewalt bei Demo: Ermittlungen gegen Radfahrer eingestellt

Ein Mann war vor neun Monaten von Polizisten wegen Widerstandes angezeigt worden. Das Verfahren wurde eingestellt. Zwei Beamte sollen ihn zusammengeschlagen haben.

Die Strafermittlungen gegen den „Radfahrer mit blauem T-Shirt“ wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sind eingestellt. Dies teilte der Anwalt des Beschuldigten, Johannes Eisenberg, mit. Dem Radfahrer wurde vorgeworfen, Polizeibeamte bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“ im September 2009 gestört und Widerstand geleistet zu haben. Daraufhin soll er von zwei Polizisten zusammengeschlagen worden sein. Neun Monate nach der mutmaßlichen Tat wird nur noch gegen die Beamten ermittelt.

Eisenberg geht von einer Anklageerhebung aus. Zugleich beklagt er die „Verschleppung des Verfahrens“ gegen seinen Mandanten: „Angesichts der Beweislage hat es viel zu lange gedauert, bis das Verfahren eingestellt wurde.“ Bereits eine Woche nach dem Vorfall vom 12. September vergangenen Jahres habe er Zeugen benannt und Videos zusammengestellt. Diese sollen beweisen, dass der Angestellte des öffentlichen Dienstes keinen Anlass für die Übergriffe durch die Polizeibeamten gegeben haben soll.

„Nichts ist verschleppt worden“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner. Es liefen intensive Ermittlungen, die für beide Verfahren von Bedeutung seien und die zur Einstellung des Verfahrens gegen den Radfahrer geführt hätten. Auch Polizeisprecher Thomas Goldack wies den Vorwurf „entschieden zurück“. Man habe alle Aufträge der Strafverfolgung zügig abgearbeitet. „Und weil die Staatsanwaltschaft alle Fristen für Vernehmungen und andere Anfragen selbst setzt, können wir ohnehin nichts verschleppen“, sagte Goldack. Für Eisenberg ist der Fall typisch für den Verlauf von Übergriffen durch Polizeibeamte und deren rechtliche Aufarbeitung: Die Beamten schützten sich schon während der Tat untereinander und würden ihre Opfer danach mit Vorwürfen und Strafanzeigen überziehen. Ihre eigenen Taten würden sie kaschieren: Um Aufnahmen von Handykameras anderer Demonstranten vorzubeugen, bildeten sie „Glocken“ um das Geschehen. Im Falle des Radfahrers hätten die mit Videoaufnahmen beauftragten Polizeibeamten ihre Kameras sogar absichtlich von den Übergriffen weggeschwenkt. Dadurch sei eine Entlastung der Opfer polizeilicher Gewalt auch so schwierig.

Die Polizei wies diese Darstellung zurück. Kameras würden grundsätzlich nicht auf die Festnahme, sondern auf die Menge gerichtet, weil bei solchen Anlässen oft Flaschen und Steine geworfen würden. Anhand der Bilder könnten Täter überführt werden. Die „Glocken“ würden gebildet, um Festgenommene und Polizisten vor Wurfgeschossen zu schützen. Der Vorwurf, dass Übergriffe gedeckt würden, sei abwegig: „Wir begehen keine Strafvereitelung im Amt“, so Thomas Goldack. Dies zeige auch der Fall eines Beamten, der am 1. Mai einem am Boden liegenden Demonstranten einen Fußtritt versetzt hatte: Die Ermittlungen seien nach Auswertung von Videoaufnahmen auf Betreiben der Polizei eingeleitet worden. „Wenn jemand sich falsch verhält, gehen wir dem nach“, so Goldack. Sonst wäre es „Rufschädigung an den anderen 16 000 Berliner Polizeibeamten“.

Laut Amnesty International stieg die Zahl der Ermittlungen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt von 234 Fällen im Jahr 2006 auf 548 Fälle im Jahr 2008. Weil die Verantwortlichen seltener als bei anderen Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen würden, drohe ein „Klima der Rechtslosigkeit“ unter Polizeibeamten. Ralf Schönball

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