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Gewalttat gegen Inder: Prozessauftakt: Rechte Schläger zeigen Reue

Vor einem halben Jahr haben ein 23- und 26-Jähriger in Neuruppin einen Inder im Vollrausch krankenhausreif geschlagen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.

Von Frank Jansen

Äußerlich sieht man dem Inder nicht an, was ihm vor einem halben Jahr in Prenzlau geschah. Doch der Angriff eines rechtsextremen Schlägers, vor allem ein Tritt gegen den Kopf, hat den 30-jährigen Koch schwer getroffen. „Mein rechtes Auge hat nur noch 20 Prozent Sehkraft“, sagte das Opfer gestern im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter, der sich zusammen mit einem Kumpan vor dem Landgericht Neuruppin verantworten muss.

"Ich habe Angst, ich sterbe vor Angst"

Der Inder, der in der Presse nicht namentlich genannt werden möchte, sprach auch von Schwindelanfällen, ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen, stark eingeschränkter Arbeitsfähigkeit – und er schilderte die Panik, die bei ihm ausbricht, wenn er einen Glatzkopf sieht. „Ich habe Angst, ich sterbe vor Angst“, sagte der Familienvater, als wolle er die Richter und Schöffen anflehen, ihm zu helfen. Wozu sie, zumindest hier und jetzt, nicht in der Lage sind.

Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach der brutalen Attacke hat jetzt vor der 1. großen Strafkammer der Prozess gegen den 23 Jahre alten Metallbauer Sebastian H. und den arbeitslosen, 26-jährigen Maler Michael H. begonnen. Die Tatvorwürfe sind hart: Staatsanwalt Kai Clement bezeichnet die Misshandlung des Inders durch Sebastian H. als versuchten Mord, außerdem hält Clement beiden Männern gefährliche Körperverletzung und Nötigung vor.

Laut Anklage hatten Sebastian H. und Michael H. am 20. April in einer Wohnung den Geburtstag von Adolf Hitler gefeiert. Es wurde getrunken und einschlägige Musik mitgegrölt. Dann verließen die beiden das Haus und begegneten auf einem Parkplatz einem aus Nicaragua stammenden Arzt. Sebastian H. rempelte ihn an, doch der Südamerikaner konnte sich in sein Auto retten. Zwei Bekannte des Arztes, ebenfalls aus Südamerika stammend, wollten dem Arzt helfen. Doch Michael H. hob drohend eine Bierflasche und hielt die beiden in Schach.

Aus einem nahen Supermarkt kam der Inder mit Einkaufstüten. Sebastian H. rief „Ausländer! Türke!“, dann trat er dem Mann in den Bauch. Der Inder sackte zusammen, H. schlug ihm ins Gesicht und trat ihm gegen den Kopf. Als die Südamerikaner dem Opfer helfen wollten, drohte Michael H. wieder mit der Bierflasche. Dann flüchteten die Schläger.

Zweifel an den Folgeschäden des Inders

Der Inder erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades und kann sich an die Tat nicht erinnern. Eine Gerichtsmedizinerin bezweifelte jedoch, dass die Minderung der Sehschärfe eine Folge der Tat sei. Als das Opfer im Gerichtssaal vor allem seinen Zustand schilderte, packte den kräftigen Sebastian H. plötzlich die Reue. „Ich möchte mich für die ganze Sache entschuldigen“, sagt er, der zuvor erstmals gar nichts zur Sache sagen wollte. Auch der stämmige Michael H. meldete sich, „also es tut mir leid“. Der Inder traut den Worten nicht. Er sagt, in H. erkenne er den Mann wieder, der ihn nach der Tat in Prenzlau zweimal bedrängt hat. Nach dem Inder trat einer der drei Südamerikaner als Zeuge auf. Auch er betonte seine Angst. Der Vorsitzende Richter Gert Wegner äußerte „größtes Bedauern“. Und sagte dann, „wir können nur hoffen, dass die Zeiten sich ändern.“

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