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Kriminalität: Immer mehr Betrügereien im Internet

Die Zahl der Gaunereien per Internet nimmt stetig zu. Die Täter nutzen Scheinadressen und falsche Konten. Die Polizei hat noch nicht das richtige Konzept dagegen gefunden.

Die Strategien im Kampf gegen Jugendkriminalität und Gewaltdelikte greifen – doch bei Betrügereien per Internet scheint die Polizei machtlos zu sein: Laut Berliner Kriminalstatistik 2008 ist vor allem der Waren- und Warenkreditbetrug gestiegen. Um 3817 Fälle auf insgesamt 26 653 registrierte Taten – das entspricht einer Zunahme um fast 17 Prozent gegenüber dem Jahr 2007. „Die Polizei hat derzeit keine durchschlagenden Konzepte“, sagt Michael Böhl, Sprecher des „Bundes Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK). Internetgaunereien sind sein Spezialgebiet. Vor allem durch die immer stärkere Nutzung der Computer nehmen diese Delikte seit 2000 laut Böhl ständig zu.

Beim Warenbetrug sind die Varianten des Betrugs vielfältig: So wird der Kunde, der etwas bei Ebay ersteht, übers Ohr gehauen, indem er entweder keine oder minderwertige Ware vom angeblichen Verkäufer zugesandt bekommt: Statt des teuren Bildbandes liegt dann beispielsweise ein Ziegelstein im Paket, statt der hochwertigen Markenturnschuhe „nur ausgelatschte Treter“, erzählt Michael Böhl. Der geprellte Kunde hat das Geld für die Ware schon überwiesen und meldet sich beim Internetanbieter. Doch der vermeintliche Verkäufer existiert nicht, er hat sich mit einer Scheinadresse angemeldet. Dafür suchen sich die Täter häufig sozial Schwache, bei denen nicht viel zu holen ist, falls sie später belangt werden sollten. „Gegen ein kleines Entgelt benutzen die Täter deren Bankkonto und lassen sich dahin das Geld überweisen“, erläutert der BDK-Sprecher. Oder aber die Täter kaufen gleich Wohnungslosen ihren Personalausweis ab und melden mit deren Identität dann ein Bankkonto an.

In einer anderen Variante ist der vermeintliche Kunde der Betrüger. Dabei wird das eigentlich zur größeren Sicherheit eingerichtete sogenannte Paypal- Konto ausgetrickst. Dieses dient dazu, Geld zwischenzuparken. Erst wenn es dort liegt, schickt der Verkäufer die Ware los – und bekommt die ihm zustehende Summe überwiesen. Doch die Täter schaffen es, das Geld auf ihr Konto wieder zurückzurufen. Auf diese Weise bekommen sie die Ware ohne Bezahlung an ihre Scheinadresse. Professionelle Betrüger erwirtschafteten so laut Böhl pro Monat zwischen 30 000 und 40 000 Euro.

Beim Warenkreditbetrug sind es die Versandhausketten, die von den Tätern benutzt werden. Auch hier arbeiten sie mit einer falschen Identität. Sie bestellen die Ware und geben als Lieferanschrift eine leer stehende Wohnung in einem Haus an. Als Tarnung bringen sie sogar am Klingelschild und Briefkasten ihren Namen an. Kommt der Lieferant, fangen sie ihn unten ab und erzählen „Ich ziehe gerade ein, sie brauchen die Geräte nicht hochzuschleppen, ich quittiere gleich hier“, schildert Böhl.

Die Experten unterscheiden zwischen drei Tätergruppen: sozial Schwache, die Versandhäuser auf diese Art betrügen, um etwa Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder zu bekommen. „Mittelklasse“-Täter, die es vor allem auf Elektronik- und Hifi-Geräte abgesehen haben, die sie wieder bei Ebay verkaufen. Und die organisierten Gruppen – meist aus Osteuropa –, die im großen Stil betrügen. Die Kaufhäuser seien „zu leichtfertig“, sagt Böhl. Die Polizei rate ihnen, nur noch „per Nachname“ zu liefern – das heißt, es muss an Ort und Stelle bezahlt werden. „Doch viele Firmen haben Angst, so ihre Kunden zu verprellen, und gehen stattdessen das Risiko ein, betrogen zu werden.“

Nach Böhls Angaben nehmen die Betrügereien per Internet noch weitaus stärker zu, als die Statistik aussagt. Dies liege an der bundeseinheitlich vorgeschriebenen Zählweise. Wenn beispielsweise ein Täter sieben Versandhäuser jeweils 30 Mal auf dieselbe Art betrügt, dann fließen nicht 210 Fälle in die Statistik ein, sondern nur sieben. Denn solche Wiederholungsdelikte desselben Täters gegen dasselbe Opfer werden nur als ein Fall gezählt.

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