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Prozess: ''Du stirbst auf der Straße“

Ein 58-Jähriger steht wegen Tötungsversuchs vor Gericht. Er soll seine Ex-Frau mit dem Auto angefahren haben.

Spott lag in seinem Blick, als der Angeklagte gelassen und Kaugummi kauend die dunkelhaarige Frau auf dem Zeugenstuhl betrachtete. Er war 17 Jahre lang mit ihr verheiratet. Als sie sich trennte, soll er sie verfolgt, belästigt und schließlich mit einem Auto attackiert haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der 58-jährige Mohammad A. absichtlich seine Frau anfuhr. Wegen versuchten Totschlags steht er jetzt vor Gericht.

Ghazala A. ist zwanzig Jahre jünger als ihr Ex-Mann. Sie kannte ihn vor der Ehe nicht. „Die Hochzeit haben die Eltern arrangiert“, sagte die wie der Angeklagte aus Pakistan stammende Frau. Zunächst habe das Zusammenleben mit A. ganz gut funktioniert. Doch der Mann habe sich verändert. „Er machte Schulden, trank viel Alkohol, er schlug mich auch.“ In den letzten Jahren mit ihm habe sie „wie in einem Gefängnis“ gelebt, in dem ständig gestritten wurde. „Wegen unserer Kinder versuchte ich, die Ehe zu halten.“ Vor etwa vier Jahren aber trennte sich die vierfache Mutter. So hätten es auch ihre Kinder gewollt, sagte die Zeugin.

Es gab keine Ruhe. Mohammad A. sei ständig aufgetaucht, sagt die Ex-Frau, habe manchmal stundenlang im Auto vor ihrem Haus gesessen und sie mit Anrufen terrorisiert. Sie ging zur Polizei und zum Gericht. Doch um das „Annäherungsverbot“, das ihm im Dezember 2007 auferlegt wurde, scherte er sich offenbar nicht. „Sie hat den Stolz unserer Familie kaputt gemacht“, soll er gegenüber seinen Kindern erklärt haben. Und: „Wenn ihr etwas passiert, ist das nicht meine Schuld.“ Kurz vor dem Anschlag hatte er nach Angaben seiner inzwischen geschiedenen Frau angekündigt: „Irgendwann wirst du einen Unfall haben, du stirbst auf der Straße.“

Sie wollte am Abend des 3. Juni letzten Jahres noch einen kleinen Spaziergang machen. Einer ihrer Söhne war dabei, als sie ihre Wohnung in Mitte verließ. Vor dem Haus habe sie zufällig einen Bekannten getroffen, erinnerte sich die Zeugin. Sie hatte für den Jungen des Landsmannes seit langem ein Geschenk. „Ich bat meinen Sohn, es schnell zu holen.“ Ghazala A. ging mit dem Bekannten ein paar Schritte auf der Neuen Schönhauser Straße. „Ganz am Rand lief ich“, beschrieb die Zeugin. Plötzlich kam von hinten ein Auto. Ghazala A. wurde erfasst, auf die Fahrbahn geschleudert, schwer verletzt. „Vor allem der linke Fuß – alle Knochen kaputt“, sagte die Zeugin. Den Fahrer konnte sie nicht erkennen. Ihr damaliger Begleiter aber rief sofort: „Es war dein Ex-Mann.“ Die Polizei fahndete lange nach dem Verdächtigen. Fünf Monate nach dem Anschlag wurde er in Spanien gefasst. Zu den Vorwürfen hat er bislang geschwiegen. „Nach dem Unfall hielt er kurz an, steckte den Kopf raus und raste dann weg“, sagte der 37-jährige Bekannte der Frau vor den Richtern.

Ghazala A. hat Angst. „Wenn er rauskommt“, schluchzte sie. „Er hat noch einen Plan, das sehe ich an seinem Gesicht, er schämt sich nicht, er lacht und kaut Kaugummi.“ Eine Polizistin, die zum Schutz der Zeugin mit im Gerichtssaal saß, legte Ghazala A. beruhigend eine Hand auf die Schulter. Der Prozess wird am 11. Juni fortgesetzt. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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