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Prozess: Todesfahrer vor Gericht

Ein 25-Jähriger überfuhr bei Flucht vor der Polizei einen Mann. Der Haftrichter hatte ihn kurz zuvor laufen lassen.

Als er die Funkstreife bemerkte, wurde der stark angetrunkene Levent U. immer schneller. „Er hat aus meiner Sicht durchgetreten“, erinnerte sich gestern vor dem Landgericht einer der Beamten, die den Mercedes damals verfolgten. Mit Tempo 100 und bei roter Ampel soll der 25-jährige U. in den Kreuzungsbereich gerast sein. Mit voller Wucht rammte sein Mercedes einen Mazda. Für dessen Fahrer kam jede Hilfe zu spät. Der 35-Jährige verstarb noch am Unfallort. Eine Passantin erlitt Verletzungen.

Fünf Monate nach der folgenschweren Trunkenheitsfahrt in Schöneberg muss sich der angelernte Bäcker Levent U. wegen fahrlässiger Tötung, vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Unfallflucht verantworten. Bei der Polizei hatte er sich zu dem Crash auf der Kreuzung Martin-Luther-Straße / Hohenstaufenstraße geäußert. Am ersten Prozesstag aber schwieg der Türke aus Kreuzberg. Seine Anwälte kündigten eine Aussage zu einem späteren Zeitpunkt an.

Levent U. war zwölf Jahre alt, als er erstmals als mutmaßlicher Täter eines Straßenraubes bei der Polizei saß. Mit 14 Jahren kam er erstmals vor Gericht und wurde zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt. Es folgten weitere Verfahren, die zum Teil mit milden richterlichen Weisungen beendet wurden. Im Februar vergangenen Jahres bekam er wegen Körperverletzung und Beleidigung elf Monate Haft auf Bewährung. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgelegt. „Das ist ein Bruder Leichtfuß, der massive Drogen- und Alkoholprobleme hat“, sagte sein Anwalt Hubert Dreyling am Rande des Prozesses. Fast alle Straftaten des jungen Mannes könne man in diesem Zusammenhang sehen. „Er ist leichtsinnig, aber nicht boshaft.“ Er habe sich den Mercedes aus „Imponiergehabe“ ausgeliehen.

Minuten vor dem Unfall war eine Funkstreife auf den Mercedes aufmerksam geworden. U. war bei Rot über eine Ampel an der Nachodstraße geschossen. Die Polizisten nahmen die Verfolgung auf, verloren den Raser aber aus den Augen. Insgesamt drei rote Ampeln soll U. missachtet haben, bevor er in den Mazda raste. Die Verteidigung schließt nun eine Mitschuld des Opfers nicht aus. Der Mazda-Fahrer sei ebenfalls mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen.

Dass Levent U. in der Nacht des 16. Februar überhaupt in Freiheit war, sorgte später für heftige Kritik an der Justiz. Fünf Tage vor der Todesfahrt saß er vor einem Haftrichter. Es ging um einen Einbruch. Doch der unter Bewährung stehende U. blieb trotzdem frei. Die Entscheidung sei „menschlich tragisch, aber juristisch vertretbar“, sagte eine Justizsprecherin. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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