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Aus der Haft in die Freiheit. Justiz und Polizei bereiten sich darauf vor, dass sieben als gefährlich geltende Kriminelle aus dem Tegeler Gefängnis entlassen werden. Foto: Mike Wolff

© Mike Wolff

Sicherungsverwahrung: Schwerkriminelle sollen ins betreute Wohnen

Die Justiz will Gefangene, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, unter Kontrolle halten. Zwei Bewährungshelfer sollen je einen Fall betreuen.

Die Verunsicherung ist riesig – bei Polizei, Justiz und Gefangenen gleichermaßen. Mit der bevorstehenden Freilassung von sieben als hoch gefährlich eingestuften Sicherungsverwahrten aus der Justizvollzugsanstalt Tegel betreten alle Neuland. Bislang bedeutete es immer, dass Sicherungsverwahrte bis zum Tode hinter Gittern sitzen. Deshalb gab es auch keine Angebote zur Resozialisierung oder Vorbereitung auf die Freiheit – dies hatten Häftlinge, wie berichtet, immer wieder kritisiert. Nun dürfen sieben Gefangene in die Freiheit, mit wenigen Wochen Vorbereitung auf ein neues Leben. 13 weitere Gefangene müssen in den kommenden Jahren entlassen werden. Wie berichtet, hatte der Europäische Gerichtshof bemängelt, dass Deutschland im Jahr 1998 die Höchstgrenze von zehn Jahren Sicherungsverwahrung gestrichen hatte. Konsequenz aus diesem Urteil: Wer seine Tat vor der Gesetzesänderung am 31. Januar 1998 begangen hat, kommt nach zehn Jahren Sicherungsverwahrung frei.

Es ist nur eine bange Hoffnung, dass keiner der Männer wieder rückfällig wird. „Absolute Sicherheit gibt es nicht“, heißt es im Hause der Justizsenatorin. Sorgen gibt es auch vor Protesten in der Bevölkerung. In Hamburg wurde zum Beispiel der Wohnort eines Freigelassenen durch eine Boulevardzeitung aufgedeckt – sofort musste für den Mann eine neues Heim gefunden werden.

Die Berliner Justiz setzt nach Angaben ihres Sprechers auf eine Unterbringung im „betreuten Wohnen“. Dort hätten die Männer immer einen Ansprechpartner und seien besser unter Aufsicht. Auf der anderen Seite ist ein Heim riskant, weil es leichter entdeckt werden kann. Wenn Kamerateams, Fotografen und Polizisten vor einem Haus in Stellung gehen, wird die Heimleitung dankend auf den Negativrummel verzichten. Dies haben in den vergangenen Wochen die Erfahrungen in anderen Bundesländern gezeigt.

Dem Vernehmen nach bevorzugen die meisten der sieben Kandidaten eine Heimunterbringung. Jürgen B. zum Beispiel sitzt seit 1969 hinter Gittern. Nur 1979, als er einen dreitägigen „Hafturlaub“ nutzte, um zwei weitere Menschen zu töten, war er anschließend zwei Wochen in „Freiheit“ – auf der Flucht.

So etwas soll sich nicht wiederholen. Alle Männer bekommen zwei Bewährungshelfer an die Seite, einen Mann und eine Frau. Die Justiz lobt diese „Tandemlösung“, bei der aus „weiblicher und männlicher Perspektive“ Gefahren effektiver erkannt werden sollen. Alle bekommen zudem harte Führungsauflagen: Meldepflicht, unangemeldete Besuche durch die Polizei, Aufenthalts- oder Alkoholverbote. Der CDU reicht das nicht. „Wir brauchen geschlossene Heime“, sagte Rechtsexperte Andreas Gram, Opferschutz müsse vor Täterschutz gehen.

Der Justizsprecher betonte, dass die sieben bereits psychiatrisch begutachtet worden seien. Unter Tegeler Gefangenen hieß es dagegen, dass mehrere Männer die Untersuchung bislang durch Gutachter Hans-Ludwig Kroeber verweigert hätten. Auf Nachfrage wurde dies von der Behörde bestätigt. Der mittlerweile 69-jährige Jürgen B. sitzt zwar am längsten, als gefährlich gelten aber andere Männer, heißt es in Tegel. Zwei werden von Mithäftlingen als völlig verwahrlost beschrieben, sozial wie körperlich: „Die sollten besser hier bleiben.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt schon jetzt davor, bei der Überwachung gefährlicher Täter zu einseitig auf die Polizei zu setzen. Einige der bereits Freigelassenen werden derzeit in anderen Bundesländern rund um die Uhr von Beamten beschattet. Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte im Januar dieses Jahres nach der erfolglosen Observation eines Sexualtäters festgestellt: „Wenn ein Triebtäter therapieresistent ist, ist die nächste Tat weder durch Führungsaufsicht der Justiz noch durch polizeiliche Überwachung auf Dauer zu verhindern.“ Nur Haft oder Sicherungsverwahrung könne die „Bevölkerung schützen“. Zwei Monate später brachte das Straßburger Gericht vielen Sicherungsverwahrten die Freiheit.

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