zum Hauptinhalt
Gisela von der Aue, SPD, Justitzsenatorin in Berlin

© Thilo Rückeis

Strafvollzug: Randale in der Untersuchungshaft

Häftlinge zertrümmerten in Lichtenrader Anstalt ihre Zellen und legten Feuer. Justizsenatorin von der Aue macht die Hitze verantwortlich.

15 junge Männer haben am Samstagabend Räume in der Untersuchungshaftanstalt Kieferngrund zerstört. Die Randale begann nach Aussage von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) etwa um 19 Uhr 30 und zog sich bis 21 Uhr 50 hin. Während der ganzen Zeit waren die daran beteiligten jungen Häftlinge in ihren Räumen eingeschlossen.

Die Justizsenatorin wollte deshalb am Sonntag ausdrücklich nicht von einer „Meuterei“ der Gefangenen sprechen. In der modernen Anstalt in Lichtenrade sind insgesamt 65 Untersuchungshäftlinge untergebracht. Viele von ihnen warten dort auf Verfahren wegen schwerer Körperverletzung oder schweren Raubes. Am späten Samstagabend hätten die Vollzugsbediensteten und hinzugezogene Polizisten die Situation beruhigt, so die Senatorin. Die 15 Randalierer seien in die Jugendstrafanstalt am Friedrich-Olbricht-Damm in Charlottenburg gebracht worden. Sie seien wegen Sachbeschädigung angezeigt worden, sagte die Senatorin.

Die Ursache der Randale war laut von der Aue Gereiztheit wegen des stickigen, drückenden Klimas. Ein 17 Jahre alter Gefangener, über den von der Aue nichts weiter sagen wollte, habe eine Fensterscheibe in seinem Haftraum zerstört. Das hätten andere zum Anlass genommen, das Mobiliar ihrer Räume zu zertrümmern. Auch ein Toilettenbecken soll kaputt gegangen sein. Einige Häftlinge setzten Möbel in Brand. Die Feuer seien durch Vollzugsbedienstete gelöscht worden. An den Tumulten beteiligten sich angeblich alle Insassen – die erwähnten 15 durch Zerstörungsaktionen, die übrigen 50 durch Lärmen und Geschrei.

Unruhe und erhöhte Aggression in den Haftanstalten gebe es überall, wenn die Räume warm und die Türen abgeschlossen sind, sagte der Leiter der Jugendstrafanstalt Marius Fiedler am Sonntag. Zwar hätten die jungen Männer nachmittags zusätzlichen Sport gehabt, sagte eine für den Vollzug zuständige Mitarbeiterin von der Aues; doch als die Randale begann, waren alle wieder eingesperrt. Laut Fiedler war es der erste Vorfall dieser Art seit 15 oder 20 Jahren. Anzeichen für massiven Unmut unter den Untersuchungshäftlingen habe es nicht gegeben. Die Justizsenatorin lobte die Vollzugsbediensteten für ihr „professionelles und umsichtiges Verhalten“. Das und der Einsatz der Polizei habe dazu geführt, dass die Störungen „zügig unterbunden“ werden konnten. Das sieht Thomas Goiny, der Landesvorsitzend der Vollzugsbediensteten, etwas anders. In dem Untersuchungsgefängnis sei „genau das passiert, was wir immer vorher gesagt haben“, so Goiny. „Das war eine regelrechte Revolte“. Die Vollzugs-Mitarbeiter weisen seit langem auf Missstände im Vollzug hin. Weil Personal fehle, blieben Häftlinge lange in den Hafträumen – in Tegel immer mal wieder für 23 Stunden am Tag. Die Sicherheit der Anstalten sei immer dann gefährdet, wenn es Ärger gebe. Wenn jemand in der Zelle randaliere oder Feuer lege, müssten zwei Vollzugsbeamte in die Zelle, um den Gefangenen zu bändigen. Die Schicht in der Untersuchungshaftanstalt habe aus vier Beamten und einem Praktikanten bestanden, so Goiny. „Ohne die Polizei hätten die das nicht in den Griff gekriegt.“

Der Vorfall wird den Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigen, der am Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Darin soll es vor allem um die Personallage in der Justiz geben. Der CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann kritisiert, dass in einigen Haftanstalten, in Tegel und auch in der Jugendstrafanstalt, nur mehr „Verwahrvollzug“ gemacht werde, weil das Personal fehle. So würden in der Jugendstrafanstalt Meister aus den Werkstätten, die mit den Jugendlichen arbeiten sollten, im normalen Vollzugdienst eingesetzt, weil dort Leute fehlten. Den Vorgang in der Untersuchungshaftanstalt Kieferngrund will Rissmann aber nicht dramatisieren, ohne alle Einzelheiten zu kennen. Ähnlich sehe es die anderen Rechtsfachleute der Opposition. Dirk Behrendt (Grüne) findet die Personalsituation „unbefriedigend“ – der Mangel erschwere die Arbeit mit den Gefangenen. Doch sei Berlins Justiz nicht schlechter als der Bundesdurchschnitt ausgestattet. Sebastian Kluckert (FDP) sagt, Randale wie die vom Sonnabend könne man bei Leuten, die es in diesem Alter schon zur Untersuchungshaft gebracht hätten, nicht immer vermeiden. „Hotelvollzug“ mit bestens belüfteten Räumen sei keine Alternative.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false