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Am Mittwochabend hat ein Gedenkgottesdienst für den getöteten Jonny K. statt gefunden. Einen Tag darauf stellt sich ein Tatverdächtiger der Polizei.

© dpa

Update

Tödliche Prügelattacke am Alexanderplatz: Fall Jonny K.: Noch zwei Tatverdächtige flüchtig

Nach der tödlichen Attacke auf Jonny K. am Alexanderplatz hat sich der vierte Tatverdächtige der Polizei gestellt. Doch viele Fragen bleiben offen. Noch immer sind die genauen Vorgänge nicht aufgeklärt, zwei Männer sind auf der Flucht.

In der gepflegten Mehrfamilienhaussiedlung sind nur wenige Menschen an diesem trüben Novembertag auf der Straße. Hier hatte Hüseyin I. gelebt. Der 21-jährige stellte sich heute der Polizei. Er soll der tödlichen Prügelattacke auf den 20-jährigen Jonny K. am Alexanderplatz beteiligt gewesen sein. Niemand in dem Wohnblock möchte über diese schreckliche Tat sprechen. Dass der Beschuldigte aus ihren Reihen kommen soll, will keiner so recht glauben. „Es ist eine sehr ruhige und friedliche Gegend. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass der Tatverdächtige einer von uns ist“, sagt ein Anwohner, der in einer Jugendberatungsstelle arbeitet. Die Jugendlichen, die hier in seine Beratung kämen, machten alle einen gefestigten Eindruck.

Nachdem sich Hüseyin I. am Vormittag im Beisein seines Anwaltes der Mordkommission gestellt hatte, wurde er am Donnerstagnachmittag dem Haftrichter vorgeführt.
Von den sechs Tatverdächtigen, die Jonny K. am 14. Oktober durch Tritte und Schläge getötet haben sollen, sind somit nur noch zwei flüchtig. Der mutmaßliche Haupttäter, Onur U., befindet sich weiter in der Türkei. Er hatte vor dreieinhalb Wochen einem „Bild“-Reporter mitgeteilt, dass er sich in Berlin den Ermittlern stellen wolle – bislang tat er dies nicht. Ein Rechtshilfeersuchen an die türkischen Behörden ist bereits vor Wochen gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft verschweigt dazu jegliche Auskunft. Ein weiterer Tatverdächtiger, Bilal K., hat die griechische Staatsangehörigkeit und soll sich nach Griechenland abgesetzt haben. Dort soll sich zuletzt auch Hüseyin I. aufgehalten haben, bevor er sich den Behörden stellte. Er soll ebenfalls griechischer Staatsbürger sein und vor der Flucht bei seinen Eltern in einem Mehrfamilienhaus in Wedding gelebt haben.

Zwei Beschuldigte (19 und 21 Jahre) sitzen bereits in Untersuchungshaft. Ihnen wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Einer der Inhaftierten, der 19-jährige Osman A., hatte erfolglos Beschwerde gegen den Haftbefehl und die Fortdauer der Haft eingelegt. Das Landgericht Berlin hatte am Donnerstag die Haftbeschwerde abgelehnt. Ein Dritter, der sich in Berlin gestellt hatte, ist auf freiem Fuß. Die Ermittlungen gegen ihn dauern an.
Jonny K. war in der Nacht zum 14. Oktober mit mehreren Freunden auf einer Party in einem Club unter dem Fernsehturm. Als die Freunde gingen, war einer von ihnen so betrunken, dass er gestützt werden musste. Vor der Bar „Cancun“ am Alexanderplatz wurden sie von sechs Männern unvermittelt angegriffen. Jonny K. erlitt so schwere Gehirnblutungen, dass er wenig später starb.
In der Marienkirche am Alexanderplatz wurde am Mittwochabend mit einem Gottesdienst Jonny K.s gedacht. Dort sprach Hartmut Klöß, Seelsorger in der Jugendstrafanstalt Plötzensee, in der einer der Tatverdächtigen einsitzt. Er sagte, der Verdächtige habe ihm die Tat bei einem Hofgang bereits aus seiner Sicht geschildert, auf Details ging Kloß aber nicht ein. „Es ist ein Vorteil meiner Arbeit, dass mir Menschen Dinge erzählen, die sie niemals einem Anwalt oder Psychologen erzählen würden“, sagte er dem Tagesspiegel. In Justizkreisen hieß es, Kloß’ Rede habe „Geschmäckle“. „Es gehört sich nicht, dass ein Seelsorger den Namen der Anstalt nennt und öffentlich ausplaudert, dass es ein intimes Gespräch mit dem Tatverdächtigen gab.“ Rechtlich gebe es keine Bedenken, er habe ja keine Gesprächsinhalte verraten, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Martin Steltner. Für Tina K., die große Schwester von Jonny, ist das alles derzeit allerdings zweitrangig. „Ich bin mir sicher, dass sich jeder bei der Polizei nach Kräften darum kümmert, die Täter zu finden“, sagt sie. Wie die Ermittlungen laufen, interessiere sie nicht: „Es ist für mich keine Neuigkeit, solange nicht alle Täter endgültig gefasst sind.“, sagte sie.

Derzeit arbeitet sie daran das Gedenken an ihren Bruder aufrecht zu erhalten und plant dafür auch eine gemeinnützige Stiftung: "I am Jonny" soll sich für Gewaltprävention an Schulen und Kindergärten einsetzen. (mit sny)

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