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"Delikte am Menschen" ermittelt das Landeskriminalamt (LKA) in der Keithstraße (Symbolfoto).

© dpa

Update

Totes Baby in Berlin-Neukölln: Zeuge soll Polizei schon vor Tagen auf stinkende Tüte hingewiesen haben

Die Todesursache des in der Nacht zu Dienstag entdeckten Säuglings steht auch nach einer Obduktion nicht fest. Ein Zeuge will die Polizei schon vor einer Woche auf die stinkende Tüte hingewiesen haben. Die Polizisten sollen jedoch nichts unternommen haben.

Der in der Nacht zu gestern in einer Grünanlage am Weichselplatz aufgefundene tote Säugling wurde nach Angaben der Polizei obduziert. Es handelt sich um einen 57 Zentimeter großen und 3200 Gramm schweren Jungen. Er war vollständig entwickelt und ohne erkennbare Missbildungen. Der Säugling lag in einer grünen Plastiktüte der Firma Lidl mit dem gelben Aufdruck "Alles für Fans". Vermutlich wurde der Säugling bereits in der vergangenen Woche abgelegt. Die Todesursache steht immer noch nicht fest, dazu sind am Mittwoch weitere Untersuchungen im Gange. Wie berichtet, hatte ein Spaziergänger am Dienstag gegen 1.30 Uhr die Leiche gefunden. Sein Hund hatte angeschlagen und wollte nicht von der Tüte weg.

Dieser Zeuge hat bei der ermittelnden Mordkommission ausgesagt, dass er bereits vor einigen Tagen die Besatzung eines Streifenwagens angesprochen habe und diese auf eine stinkende Tüte hingewiesen habe. Offenbar haben die Streifenpolizisten die Tüte nur, ohne sie zu öffnen, in den nächsten Mülleimer geworfen. Der Zeuge soll seinen Spaziergang fortgesetzt haben und nicht beobachtet haben, was die Polizisten mit der Tüte wirklich machen. Polizeisprecher Stefan Redlich sagte am Mittwoch: „Wir kennen diese Vorwürfe und gehen ihnen nach.“ Sicher ist nach dem Obduktionsergebnis, dass die Babyleiche mehrere Tage dort gelegen hat. Durch die recht warmen Temperaturen in der vergangenen Woche war der Körper recht stark verwest. Dem Vernehmen nach schätzt die Mordkommission die Angaben des Zeugen als glaubwürdig ein. Noch sind allerdings die Beamten noch nicht gefunden. Da der Zeuge die Streifenpolizisten direkt ansprach, ist dies nicht wie bei einem Notruf dokumentiert. Wie es hieß, sollen am heutigen Donnerstag die Streifenpolizisten der Gegend befragt werden.

Die 6. Mordkommission fragt: - Wer kennt eine Frau am Weichselplatz oder in der Umgebung, die bis zur letzten Woche schwanger war, aber nun kein Baby hat? - Wer hat in der vergangenen Woche verdächtige Wahrnehmungen in der Grünanlage gemacht oder Personen beobachtet, die eine grüne Plastiktüte abgelegt haben? - Wer kann sonst Angaben zur Herkunft des Babys bzw. zu dessen Mutter machen?

Hinweise nimmt die 6. Mordkommission in der Keithstraße 30 in 10787 Berlin unter der Rufnummer 4664 911 666 entgegen.

Das erste Tote Baby in diesem Jahr

Es ist das erste tote Baby, das in diesem Jahr in Berlin gefunden wurde. 2013 erschütterten zwei Fälle kurz hintereinander. Am 5. April fanden Mitarbeiter einer Recyclingfirma beim Leeren eines Altkleidercontainers in der Neuköllner Wildenbruchstraße die Leiche eines Mädchens. Wie üblich in der Branche, hatten sie noch am Container die hineingeworfenen Tüten und Säcke geöffnet, um ein Schimmeln der gespendeten Wäsche zu verhindern. Im März 2014 hatte die Polizei 5000 Euro Belohnung ausgelobt, nachdem die Ermittlungen nach fast einem Jahr ohne Ergebnis waren. Der Container stand nicht einmal 500 Meter vom jetzigen Fundort entfernt. Wenige Tage nach dem Baby im Container war in Hellersdorf ein toter Junge gefunden werden. Auch damals hatte ein Hund an der Tüte geschnüffelt. Die Eltern waren wenig später ermittelt worden. In den Jahren 2011 und 2012 waren in Berlin keine toten Babys gefunden worden.
Beim Tag der offenen Tür der Polizei hatte die für Gewaltdelikte an Kindern zuständige Abteilung die Namen aller in den vergangenen Jahren getöteten Kinder mit den Jahreszahlen auf eine lange weiße Papierbahn geschrieben – um die Öffentlichkeit wachzurütteln. Die Ermittler um Kommissariatsleiterin Gina Graichen hatten den tot gefundenen Babys noch Namen gegeben, nämlich Max und Sara. Für beide wurde sogar eine Beerdigung organisiert.
In den vergangenen Jahren war nach dem Fund von Babyleichen regelmäßig eine Debatte in der Politik darüber ausgebrochen, wie Müttern in Krisensituationen mehr Hilfe angeboten werden kann. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte sich nach dem Tod der beiden Babys im vergangenen Jahr für Babyklappen und die anonyme Geburt ausgesprochen – etwa am Vivantes-Klinikum in Friedrichshain.

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