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Untreue: Berliner Bankenprozess wieder gestoppt

Die Anklage konnte auch am zweiten Verhandlungstag nicht verlesen werden. Klaus Landowsky stellt neuen Befangenheitsantrag gegen Richterin. Außerdem gab es eine Justizpanne bei der Schöffenauswahl.

Berlin - Der Untreueprozess gegen Klaus Landowsky und elf weitere Manager des früheren Berliner Bankgesellschaftskonzerns verzögert sich weiter. Wegen eines erneuten Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin der 26. Großen Strafkammer, Claudia Wolter, und einer möglicherweise gravierenden Justizpanne bei der Auswahl von Ersatzschöffen konnten die Anklagevorwürfe auch am zweiten Prozesstag nicht verlesen werden. Stattdessen musste die Hauptverhandlung erneut unterbrochen werden, nächster Verhandlungstermin ist der 13. Juli.

Schon zum Prozessauftakt vor einer Woche hatten die Verteidiger die Unbefangenheit der Strafkammer infrage gestellt. Anlass war ein Gerichtsbeschluss vom März 2008 zu Bilanzfälschungsvorwürfen gegen die Bankmanager. Zwar hatte die Strafkammer die damalige Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen, doch hatten sich Richterin Wolter und ihre beiden Kollegen Heymann und Weise in der Entscheidungsbegründung wertend zu Sachverhalten geäußert, die im jetzt angelaufenen Untreueverfahren erst noch geklärt werden müssen. Erst nachdem die drei Richter in der vergangenen Woche in dienstlichen Stellungnahmen „etwaige Missverständnisse“ in der damaligen Begründung bedauert und sich vom eventuell erweckten „Eindruck einer inhaltlichen Voreingenommenheit“ distanziert hatten, wurden diese Befangenheitsvorwürfe am vergangenen Donnerstag von der 36. Strafkammer als unbegründet zurückgewiesen.

Trotz dieser Vorgeschichte lieferte Richterin Wolter am Montag die Steilvorlage für einen zweiten, diesmal nur gegen sie persönlich gerichteten Befangenheitsantrag. Während eines kurzen Disputs zur weiteren Prozessorganisation stellte sie fest, dass die Medien vor Prozessbeginn rege und „ordentlich“ über die aktuelle Untreueanklage berichtet hätten. Das wollte Landowsky, der sich im Vorfeld in verschiedenen Berichten Schmähkritiken gefallen lassen musste, so nicht stehen lassen. Die Wertung der Berichterstattung als „ordentlich“ spreche einmal mehr für die Voreingenommenheit Wolters, argumentierte Landowskys Anwalt. Jetzt muss erneut über Wolters eventuelle Befangenheit entschieden werden.

Möglicherweise noch gravierender ist die eventuell fehlerhafte Auswahl der drei Ersatzschöffen. Rechtsanwalt Robert Unger hatte als Verteidiger von Ex-Bankmanager Klaus von der Heyde herausgefunden, dass bei der Landgerichtsauslosung aller Ersatzschöffen für den Zeitraum 2009 bis 2013 die vorgeschriebene Öffentlichkeit nicht gewahrt wurde. Der vom Landgerichtspräsidenten auf den 8. Dezember 2009 festgesetzte Auslosungstermin sollte per Aushang im Gericht bekannt gegeben werden. Auf den Aushangzetteln aber wurde als Termin irrtümlich der 8. November angegeben, so dass Beobachter keine Chance hatten, den tatsächlichen Termin wahrzunehmen. Die Ersatzschöffen für alle großen Landgerichtsverfahren aber werden seit Jahresbeginn aus der unter irregulären Bedingungen erstellten Liste ausgewählt. Für Unger ist damit das Recht der Angeklagten auf „den gesetzlichen Richter“ nicht mehr gewahrt. Das Bankenverfahren dürfe erst dann wieder aufgenommen werden, wenn unter rechtlich einwandfreien Bedingungen andere Ersatzschöffen ermittelt worden seien. Ob und welche Auswirkungen die Ersatzschöffenproblematik über den Bankenprozess hinaus hat, blieb ungeklärt.

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