zum Hauptinhalt
292128_3_Ermittlu_ddp.jpg

© ddp

Westend: Kirchen-Einsturz: Gemeinde wollte Geld sparen

UPDATE Am Tag nach dem Einsturz eines Kirchengebäudes in Westend gibt es erste Antworten, wie es zu dem Unglück kam. Die Rumänisch-Orthodoxe Gemeinde nahm aus Geldmangel Umbauarbeiten selbst vor. Morgen soll von dem getöteten Pfarrer und einem Helfer Abschied genommen werden.

Am Tag nach dem Einsturz des Gebäudes an der Heerstraße in Westend ist ein Teil des Geländes für die Gemeindemitglieder wieder betretbar. Die Bauaufsicht hat nur einen Teil weiterhin gesperrt. Die Behörden gehen von einem Unglüscksfall aus, bei dem eine Giebelwand in die falsche Richtung stürzte.

Die Rumänisch-Orthodoxe Gemeinde wollte beim Umbau eines Flachbaus zu einem neuen Kirchenschiff offenbar Geld sparen und ging einen Teil der Abrissarbeiten selbst an. Solche Arbeiten auf dem eigenen Gelände sind zulässig und behördlich nicht genehmigungspflichtig. Zum Zeitpunkt des Unglücks am Donnerstagabend nach 19 Uhr waren sieben Kirchenmitglieder damit beschäftigt, eine Giebelwand zum Einsturz zu bringen. Bei dem Versuch, die Wand durch Drücken umzustürzen, kippten die Ziegel offenbar in die falsche Richtung und begruben den 49-jährigen Pfarrer und einen Helfer unter sich. Für beide kam jede Hilfe zu spät.

Anwohner hatten ein mulmiges Gefühl

Vor dem Zaun des Geländes haben sich Gemeindemitglieder versammelt und trauern mit Teelichtern und Heiligenbildern gemeinsam um die Toten. Am Donnerstag soll der Rumänisch-Orthodoxe Erzbischof aus Nürnberg anreisen, um eine Trauerandacht für die Verstorbenen zu halten.

Anwohner, hier im Viertel zwischen S-Bahnhof Heerstraße und Olympiastadion, hatten schon am Nachmittag ein mulmiges Gefühl. Das Ehepaar Szymanski berichtete, wie mehrere Männer versucht hätten, einen Schornstein abzureißen; die Wände seien allerdings nur notdürftig mit ein paar Holzbalken gesichert gewesen. „Das war uns nicht geheuer“, sagte Zyta Szymanski, die mit ihrem Mann zur Unglücksstelle eilte, als sie vom großen Unfall in ihrem Viertel im Radio gehört hatte.

Mit fast 50 Männern war die Feuerwehr im Einsatz; große Kräne blockierten die Spuren der Heerstraße, überall war Blaulicht zu sehen. Die Notärzte, teilte die Polizei am Abend mit, hätten nur noch den Tod der beiden Männer feststellen können. Fünf weitere Männer, die wohl am Kirchendach gearbeitet hatten und das Unglück mitangesehen haben müssen, kamen mit einem schweren Schock ins Krankenhaus. Kurz vor 22 Uhr rückten schließlich die Spezialisten des Landeskriminalamtes an und ließen große Scheinwerfer aufstellen. Die Polizisten wollten noch in der Nacht nach der Ursache für das Unglück suchen.

An der Heerstraße Ecke Ortelsburger Allee, recht nah am Teufelsberg, hatte die Gemeinde ihr Grundstück im Januar 2006 erworben, berichtet das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Grundstein für den Kirchenbau sei nur fünf Monate später gelegt worden; Teile des alten Hauses sollten abgerissen werden. Wie das Bezirksamt weiter schreibt, sollte der Kirchenneubau sich orientieren an der mittelalterlichen Kirchenarchitektur Moldawiens. Das Kirchenschiff sollte 23 Meter lang werden, 15 Meter breit und 200 Personen Platz bieten. Der Kirchturm, der dort geplant war, sollte 27 Meter hoch werden. „Die Gemeinde hatte aber wenig Geld“, sagte am Abend der schockierte Deutsch-Rumäne Adam Schmidt, der mit dem BVG-Bus am Einsturzort vorbeifuhr und sofort ausstieg.

Der Pfarrer – Constantin M. – habe deshalb vieles selbst mit Gemeindemitgliedern an der Heerstraße gebaut. Schmidt habe es zu schätzen gewusst, in dem Haus an der Heerstraße mit Rumänen sprechen zu können, „deshalb bin ich jeden Monat hierher gefahren“, sagte Schmidt. Der 49-jährige Pfarrer, dessen Familie sich derzeit in Rumänien im Urlaub befinden soll, habe schon mehrere Gottesdienste in dem Haus abgehalten.

Gemeinde zog vor drei Jahren nach Westend

In der Gemeinde der Rumänisch-Orthodoxen Kirche sprach sich die Nachricht schnell herum: Als die Feuerwehr noch das Dach sicherte – etwa zwölf der 300 Quadratmeter waren eingestürzt – , liefen die ersten weinenden Mitglieder herbei, stellten viele Kerzen an den Zaun und beteten still. Notfallseelsorger kümmerten sich am späten Abend um die Trauernden.

Die Gemeinde hatte nach Bezirksangaben bis zum Jahr 2006 ihren Sitz in Kreuzberg, angeblich nahe Südstern. Sie war dort Untermieterin der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde in einer Kapelle. Während des Zweiten Weltkrieges hatte die Rumänisch-Orthodoxe Kirche in Mitte die Jerusalemkirche an der Jerusalemer Straße Ecke Lindenstraße erworben; diese wurde durch einen Bombentreffer im Februar 1945 stark zerstört und 1961 abgerissen. Seitdem hatte die Gemeinde Quartier bezogen in Kreuzberg. Vor gut drei Jahren schließlich zogen sie weiter nach Westend.

Rainer W. During, André Görke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false