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"Zutiefst menschenverachtend": Obdachlosen-Mord

Er hatte sich sein Opfer gezielt ausgesucht, um ein perfektes Verbrechen zu begehen. Nun hat die Anklage im Prozess um die zerstückelte Leiche eines Obdachlosen eine lebenslange Freiheitsstrafe für den 28-jährigen Täter gefordert.

Von Frank Jansen

Der Staatsanwalt spricht in sachlichem Ton, doch das Entsetzen ist unüberhörbar. Der Angeklagte habe eine „zutiefst menschenverachtende Tat“ begangen, sagt Jörg Wetzel am Montag im Landgericht in seinem Plädoyer zu einem der grausigsten Fälle seit langem. Die Tötung des Obdachlosen Jochen G. durch den Studenten Mario Z. „kam einer Hinrichtung gleich“. Der Staatsanwalt sieht „Vernichtungsbereitschaft“ und dann auch „Vernichtungswillen“. Mario Z. hört reglos zu, wie fast immer seit Beginn des Prozesses vor zwei Wochen. Er rührt sich auch nicht, als Wetzel die Tat wie schon in der Anklageschrift als Mord einstuft und die Höchststrafe fordert: lebenslange Haft. Der Student hatte in der Nacht zum 30. August 2009 in seiner Wohnung in Schöneberg den Obdachlosen mit einer Art Henkerbeil erschlagen und mit einem Messer auf ihn eingestochen. Der Leiche trennte Mario Z. den Kopf und die Gliedmaßen ab. Kopf und Torso brachte der Student zu einem Bahngelände in Schöneberg. Allerdings stellte sich Mario Z. kurz darauf der Polizei. Der Staatsanwalt bleibt bei seiner Version, Mario Z. habe einen „perfekten Mord“ verüben wollen. Da sei der Hauptbelastungszeuge, ein mit dem Angeklagten bekannter Student, trotz einiger Widersprüche in der Aussage „insgesamt glaubwürdig“, betont Wetzel.  Der Zeuge hatte vor der 29. Großen Strafkammer von einem bizarren Gespräch mit Mario Z. berichtet. Anfang 2009 habe man sich über einen perfekten Mord unterhalten. Als ideales Opfer, so schilderte es der Zeuge, habe er selbst einen Obdachlosen genannt, nach dem werde nicht so schnell gesucht. Mario Z. soll dann über die Entfernung der Leiche fantasiert haben, dem Bekannten wurde angeblich mulmig. Nach Ansicht des Staatsanwalts hatte der Zeuge keinen Grund, den Angeklagten unnötig zu belasten, auch wenn der ihm noch 140 Euro schuldete. Wetzel geht davon aus, dass der Mordplan monatelang in Mario Z. rumorte, bis er dann am Abend des 29. August am Bahnhof Zoo den Obdachlosen aufgabelte und zu sich mitnahm, um ihn zu töten. Der Staatsanwalt besteht im Plädoyer jedoch nicht mehr auf dem Mordmerkmal der Heimtücke. Für Wetzel lässt sich nicht ausschließen, dass der Obdachlose noch mit seinen Händen den ersten Schlag mit dem Beil abwehren wollte, also nicht im Schlaf attackiert wurde. Für unglaubwürdig hält Wetzel jedoch weiterhin die von Mario Z. vor dem Prozess behauptete Tatursache. Der Student will sich mit Jochen G. um Wechselgeld nach einem Kauf von Bier gestritten und zornentbrannt auf das Opfer eingeschlagen haben. Genau so sieht es jedoch der Verteidiger Matthias Zieger. Sein Mandant sei in Wut geraten, weil Jochen G. „seine Gastfreundschaft missbrauchte“, sagt der Anwalt. Allerdings sei „das Erschlagen wegen eines Streits um Wechselgeld  völlig unverhältnismäßig“. Mario Z. neige jedoch zu „überschießenden Wutausbrüchen“, außerdem machten ihn schon geringe Alkoholmengen „konfliktfreudig“. Ein psychiatrischer Gutachter hatte nicht ausgeschlossen, Mario Z. könnte in der Tatnacht  angetrunken und deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein. Das von dem Belastungszeugen geschilderte Gespräch über einen perfekten Mord hält der Verteidiger nur für post-pubertäres Gerede, wie es „bei jungen Männern durchaus üblich ist“. Und er hebt hervor, Mario Z. hätte sich nicht gestellt, wenn es ihm um einen perfekten Mord gegangen sei. Der Anwalt plädiert auf Totschlag in einem minderschweren Fall und hält eine Strafe „im unteren Drittel“ für ausreichend. Das wären drei oder vier Jahre. Womöglich sieht die Kammer den Fall ähnlich. Die Vorsitzende Richterin erteilt den rechtlichen Hinweis, es komme auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht. Am morgigen Mittwoch wollen die Richter das Urteil verkünden.

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