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Die Schilddrüse erstreckt sich auf beide Seiten des Halses. Um krankhaften Veränderungen auf die Spur zu kommen, nutzen Ärzte oft den Ultraschall.

© IMAGO

Probleme mit der Schilddrüse: Bleifuß auf dem Gaspedal

Ist die Schilddrüse überaktiv, läuft der Organismus zu hochtourig. Dann hilft oft nur eine Operation - ein anspruchsvoller Eingriff unter Vollnarkose

Die Schilddrüse, jenes sich auf beide Seiten des unteren Halses erstreckende Organ, versieht normalerweise still seinen Dienst und ist von außen unsichtbar. „Sie ist das Gaspedal des Körpers“, sagt Mechthild Hermanns, Oberärztin der Chirurgie in den DRK-Kliniken Berlin-Westend und Schilddrüsen-Expertin. Das Hormon, das von dem Organ produziert wird, reguliert den gesamten Stoffwechselhaushalt des Körpers.

Wenn es richtig funktioniert. Doch kann man auf der Schilddrüse Knoten ertasten oder sind bereits sichtbar Wölbungen am Hals erkennbar, deutet das auf eine krankhafte Vergrößerung hin. Die Betroffenen fühlen sich unter Umständen dann am Hals beengt, manche spüren einen konstant anhaltenden Druck. Auch andauernde Heiserkeit und Schluckbeschwerden sind möglich.

Und der Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht. Starker ungewollter Gewichtsverlust kann die Folge sein. Außerdem neigen viele Betroffene zu Herzrasen, Durchfall, Haarausfall, Nervosität, Reizbarkeit und Schlafstörungen.

Eine Ursache für Erkrankungen der Schilddrüse ist Jodmangel. Da Jod in großen Mengen vor allem in Fisch, Meeresfrüchten und Seetang vorkommt, ist Jodmangel vor allem in meeresfernen Gegenden ein Problem. So ist eine sichtbare Schilddrüsenvergrößerung – die im Volksmund Kropf genannt wird – im Süden Deutschlands ausgeprägter als im Norden. Auslöser einer Vergrößerung der Schilddrüsen können aber auch Autoimmunkrankheiten sein, bei denen das Immunsystem die eigenen Körperzellen angreift. Und schließlich können auch Entzündungen oder eine genetische Veranlagung zu einer Vergrößerung und Überfunktion der Schilddrüse führen.

Mit einer Szintigrafie können die "heißen Knoten" aufgespürt werden

Der Arzt diagnostiziert die Erkrankung mit einem Ultraschall, der Knoten und vernarbtes Gewebe sichtbar macht, und einer sogenannten Szintigrafie, mit der die „heißen Knoten“, die zu viel Schilddrüsenhormon produzieren, aufgespürt werden können. Dabei wird dem Patienten radioaktiv markiertes Technetium injiziert, das sich in der Schilddrüse anreichert und das dort am stärksten leuchtet, wo das meiste Hormon entsteht. Außerdem werden die Werte des Schilddrüsenhormons im Blut des Patienten bestimmt.

Bei einer Überfunktion werden die Mediziner zunächst versuchen, die Symptome des „zu sehr durchgetretenen Gaspedals“ mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Diese enthalten Wirkstoffe, die entweder die Produktion des Schilddrüsenhormons selbst hemmen oder dessen Abgabe ins Blut.

Hilft das nicht, greifen Operateure zum Skalpell. Mehr als 100 000 Operationen an den Schilddrüsen werden hierzulande jedes Jahr durchgeführt. Doch wann ist ein solcher Eingriff, der unter Vollnarkose stattfindet, überhaupt nötig? Ein Knoten allein rechtfertige das noch nicht, sagt Expertin Hermanns. Aber wenn es mehrere Knoten sind, die schnell wachsen, sollte man eingreifen. Das Gleiche gilt, wenn die Knoten „heiß“ sind, also zu viel Hormon produzieren. Oder wenn das ganze Organ so stark vergrößert ist, dass es auf die Luftröhre drückt. Und schließlich auch dann, wenn Krebsverdacht besteht. Dann geht der eigentlichen OP allerdings zunächst häufig eine Gewebeentnahme, eine Punktion, voraus.

Wird bei der OP ein Nerv durchtrennt, bleibt der Patient bis ans Lebensende heiser

Eingriffe am Hals sind diffizil, die Chirurgin trägt deshalb eine Lupenbrille. Denn bevor sie sich daranmachen kann, die Schilddrüse Schnitt für Schnitt zu lösen, muss sie Vorbereitungen treffen, um die beiden empfindlichen Stimmbandnerven zu schonen. Würden diese während der OP zu sehr gedehnt, müsste der Patient unter Umständen bis zu einem halben Jahr mit einer hartnäckigen Heiserkeit klarkommen. Würde ein Nerv gar durchtrennt, bliebe diese Heiserkeit bis zum Lebensende.

Um dieses Risiko zu mindern, setzt Hermanns auf eine kontinuierliche elektronische Überwachung des Nervs. Dazu wird ein kleiner Clip mit einem Kabel um den Nerv geklemmt, der kontinuierlich winzige Stromimpulse durch den Nerv sendet und deren Weiterleitung misst.

Früher habe man oft versucht, nur die Knoten herauszuschälen, sagt Hermanns. „Heute nehmen wir entweder den kompletten verknoteten Teil heraus oder gleich das gesamte Organ.“ Denn so will der Arzt vermeiden, dass kleine Knoten später weiterwachsen und eine erneute Operation nötig wird. „Der Patient kann aber gut ohne Schilddrüse leben“, sagt die Chirurgin Hermanns. Mithilfe von Tabletten könne man das fehlende Schilddrüsenhormon gut ausgleichen.

Eine messerlose Alternative ist die Therapie mit Radioaktivität. Die Idee dahinter ist simpel: Die Schilddrüse ist das einzige Organ im Körper, das Jod speichert. Wird nun radioaktives Jod geschluckt, dann sammelt es sich nur dort an und entfaltet die zerstörerische Wirkung auf die überaktiven Knoten im Gewebe, die einerseits für die Vergrößerung der Schilddrüse verantwortlich sind, vor allem aber für die Überproduktion an Hormonen. Der Rest des Organismus bleibt fast unbelastet von der Radioaktivität.

Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik nach dieser Therapie hängt weniger vom Erfolg ab – frühestens nach vier Wochen ist erkennbar, ob die Knoten sich zurückbilden – als vielmehr von der Strahlenbelastung der Umgebung durch den Radiojod-Patienten. Faustregel: Wenn der Grenzwert unterschritten ist, darf man gehen. Das kann zwischen drei Tagen und zwei Wochen dauern.

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