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Tempelhofer Feld: Soll der Volksentscheid ausgehebelt werden?

© dpa/Christoph Soeder

Reine Ablenkung?: Berliner Grüne und Linke lehnen SPD-Vorstoß zum Volksentscheid von oben ab

Die SPD-Fraktion will, dass auch das Berliner Abgeordnetenhaus Volksentscheide initiieren kann. Grüne, Linke und Vereine reagieren ablehnend – und verweisen auf den Brexit.

Der Vorstoß der SPD-Fraktion zu einem Volksentscheid von oben stößt in der Opposition und Zivilgesellschaft auf Kritik. „Pläne für eine Volksbefragung von oben sind aus guten Gründen in der Berliner Verfassung nicht vorgesehen“, sagte Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Abgeordnetenhaus. Bürgerbeteiligung sei dazu da, dass Bürger sich einbringen können. Für eine Verfassungsänderung stünden die Grünen auch nicht zur Verfügung.

Die SPD-Fraktion hatte am Sonnabend auf ihrer Klausurtagung in Leipzig einen Beschluss zur Einführung eines vom Abgeordnetenhaus angestoßenen Volksentscheids verabschiedet. Das Instrument könnte dem Willen der Sozialdemokraten nach für eine erneute Abstimmung über eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes genutzt werden.

„Wohin es führt, wenn Regierungen mit Volksbefragungen von oben ablenken wollen, haben wir beim Brexit gesehen“, sagte Grünen-Fraktionschef Graf. Mit Blick auf den Neubau in der Stadt sagte er, Berlin habe kein Flächenproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Anne Helm, äußerte sich spöttisch zum Argument der SPD-Fraktion, mit dem Volksentscheid von oben etwas gegen Politikverdrossenheit tun zu wollen. Wenn die SPD dagegen etwas unternehmen wolle, dann „sollte sie endlich den Volksentscheid zur Vergesellschaftung umsetzen, statt ihn weiter zu verschleppen“, sagte Helm.

Politikverdrossenheit werde eher zunehmen, wenn sich Regierungen zusätzliche Optionen verschaffen, um von den Bürgern getroffene Entscheidungen, wie zum Beispiel zum Tempelhofer Feld, auszuhebeln. Auch aus Sicht der Linken bräuchte es für den Volksentscheid von oben eine Verfassungsänderung. „Dafür steht die Linksfraktion nicht zur Verfügung“, sagte Helm. Die SPD-Fraktion allerdings geht davon aus, dass man die neue Form des Volksentscheids auch ohne eine Änderung der Landesverfassung einführen könnte, und beruft sich unter anderem auf ein Gutachten von 2015.

Warnung vor Missbrauch

Zivilgesellschaftliche Gruppen in Berlin halten ähnlich wie Linke und Grüne nichts von dem Fraktionsvorhaben. Zwar sei es besser, ein richtiges Referendum statt lediglich eine Volksbefragung durchzuführen, sagte Oliver Wiedmann vom Landesverband Berlin/Brandenburg des Vereins Mehr Demokratie dem Tagesspiegel. „Dennoch lehnen wir das ab“, sagte er. „Wir halten direkte Demokratie für ein Instrument, das in die Hände der Bürger gehört.“ Volksentscheide von oben könnten zu Instrumentalisierung und Missbrauch führen, sagte Wiedmann. Auch er verwies als Negativ-Beispiel auf den Brexit.

Sein Verein setzt sich stattdessen für die Möglichkeit eines „fakultativen Referendums“ ein, wie es das bereits in Hamburg gebe. Dabei könne es, wenn das Abgeordnetenhaus ein Volksgesetz wie das Tempelhofer Feld Gesetz ändere, im Nachgang die Möglichkeit eines Volksentscheids mit verkürzten Verfahren auf Initiative der Bürger geben. Innerhalb von drei Monaten müssten dann 50.000 Unterschriften gesammelt werden, damit es anschließend zu einem Volksentscheid kommt.

Auch Michael Schneidewind von der Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld plädiert für ein solches Verfahren. Auf den Beschluss der SPD-Fraktion reagierte er dagegen ablehnend. „Wir können mit der Idee überhaupt nichts anfangen.“ Er verwies etwa auf die Ungleichheit der Mittel der Landesregierung gegenüber der Zivilgesellschaft. „Das Land Berlin hat ganz andere Möglichkeiten, Anzeigen zu schalten oder Plakate aufzuhängen“, sagte er. Das sei problematisch. Zustimmung kam lediglich bereits am Sonnabend vom Koalitionspartner CDU. Fraktionschef Dirk Stettner hatte sich positiv geäußert und gesagt, Details werde man nun koalitionsintern besprechen.

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