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Berlin: Schnellstarter

1907 begann die Erfolgsstory von Renault in Berlin

Ein Hauch von Exotik weht durch das Erdgeschoss des alten Hauses an der Mohrenstraße/Ecke Charlottenstraße nicht erst, seit Fassbender & Rausch dort 1999 Europas größtes Schokoladenhaus eröffneten und inzwischen auch das einzige Schokoladenrestaurant Europas betreiben. Vor exakt einem Jahrhundert nämlich wurden an der traditionsreichen Front Firmenschilder montiert, die für damalige Betrachter mindestens ebenso außergewöhnlich waren. Statt „Chocolatiers am Gendarmenmarkt“ las man damals „Renault Automobil Aktiengesellschaft“.

Das war für das Berlin der Kaiserzeit eine kleine Sensation. „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“, hatte Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. erst ein Jahr zuvor seine Untertanen wissen lassen. Doch Frankreichs Autopionier Louis Renault und seine Brüder sahen das ganz anders. Und so wagten sie mit ihrem gerade erst neun Jahre alten Unternehmen schon früh den Schritt direkt ins Zentrum von Frankreichs östlichem Nachbarland.

Zusammen mit vier französischen Kaufleuten ließ Louis Renault am 17. Oktober 1907 die „Renault Frères Automobil Aktiengesellschaft“ mit einem Grundkapital von 400000 Reichsmark als deutsches Tochterunternehmen ins Handelsregister eintragen. In der Mohrenstraße 22/23 im Schatten des Französischen Domes konnte man fortan in Berlin Automobile und Motoren der agilen Franzosen erwerben und in Werkstätten an der Puttkamerstraße betreuen lassen.

Das Unternehmen schrieb vom ersten Tag an schwarze Zahlen. Vor allem an die Zukunft des Autos glaubende Droschkenfahrer setzten auf die Zuverlässigkeit der Autos aus Frankreich – und bald schon waren Renault-Taxis im Straßenbild Berlins nicht mehr zu übersehen. 1914 wurde das schnelle Wachstum dann aber abrupt gebremst. Denn mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die deutsche Renault-Tochter unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Sie überlebte – vor allem durch Reparaturaufträge der deutschen Heeresverwaltung – zwar das Kriegsende. Doch 1920 wurde die Liquidation des nicht mehr rentablen Unternehmens beschlossen.

Erst am 23. November 1927 wagte Renault in Frankfurt am Main einen Neustart in Deutschland und gewann nun insbesondere mit Luxuslimousinen neue Kunden. Schon 1932 eröffnete eine Berliner Filiale am Kurfürstendamm, die Prominente wie den Schauspieler Rudolf Platte und den Schriftsteller Ernst von Salomon zu ihren Kunden zählte. Und 1934 wurde die Hauptverwaltung an den Ku’damm 161 verlegt.

Der Zweite Weltkrieg brachte 1939 die nächste Zwangspause. 1949 kehrte Renault nach Deutschland zurück und gründete in Baden-Baden zum dritten Mal eine deutsche Tochter, die 1954 ins Rheinland umzog. Seit 1959 residiert sie in Brühl und sorgte dafür, dass Deutschland bald zum wichtigsten Auslandsmarkt der Marke mit dem Rhombus wurde. Eine Erfolgsstory, die ihren Anfang vor 100 Jahren in Berlin nahm. Ingo von Dahlern

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