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Schule: Auf los geht’s los

Wie Siebtklässler und Lehrer ihren ersten Tag an den neuen Sekundarschulen erlebten

Wolfgang Lüdtke hält an diesem ersten Schultag wenig in seinem Büro in der Neuköllner Kepler-Sekundarschule: Zu vieles ist zu tun am Tag eins als Sekundarschule. Auf dem Schulhof warten zwei Frauen vom Deutsch-Türkischen Zentrum, die sich künftig an der Ganztagsbetreuung beteiligen wollen. Vom Arbeitsamt gibt es neue Kräfte für die Computerwartung, die eingewiesen werden wollen, und im Vorraum der Aula wird für die provisorische Mittagsversorgung der neuen Siebtklässler gearbeitet – der Mensaneubau wird erst im Winter fertig sein.

„Unsere Schüler bekommen endlich eine Perspektive nach oben“, erwartet Lüdtke jetzt, da seine Hauptschule zur Sekundarschule wurde und eng mit dem Oberstufenzentrum für Wirtschaft und Soziales kooperiert. Somit sei von Anfang an dafür gesorgt, dass die Schüler Berufsfelder kennenlernen, auf die es sich zuzusteuern lohnt. Bislang seien sie „oft mutlos“ gewesen, weil sie als Hauptschüler keine Perspektive gesehen hätten.

Die ehemalige Kepler-Hauptschule war vor vier Jahren als Schauplatz für die erste „Schul-Rede“ des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler ausgewählt worden. Wegen der schönen Zwanziger-Jahre-Architektur, der frisch renovierten Aula und des damals noch frischen Rütli-Skandals. Auch der Kepler-Schule ging es damals nicht gut – es gab kaum Nachfrage. Das soll sich jetzt ändern. Zwar sind unter den künftigen Schülern die Hauptschulempfohlenen noch klar in der Mehrheit. Aber erstmals haben sich 30 Schüler freiwillig angemeldet, weitere 70 Schüler sind zugewiesen worden. Auch wenn einige von ihnen Widerspruch eingelegt haben, geht Lüdtke doch davon aus, dass er drei Klassen aufmachen kann. „Wir sind guten Mutes und haben die Ärmel hochgekrempelt“, beschreibt der Rektor die Stimmung am ersten Schultag.

An der Weißenseer Heinz-Brandt-Sekundarschule ist man ebenfalls guter Dinge. Hier gehen drei siebte Klassen mit einer bunten Schülermischung an den Start. Zwei Drittel der Schüler hatten eine Empfehlung für die Realschule, zwei Schüler fürs Gymnasium, der Rest für die Hauptschule. „Man merkt das“, kommentiert Mathematiklehrerin Bärbel Moritz die Mischung: Die Schüler seien umgänglicher. Sie sei optimistisch, dass der Unterricht entspannter werde als zuvor.

Einer der neuen Siebtklässler der Heinz-Brandt-Schule ist Julius. Der 13-Jährige hatte eine Realschulempfehlung und findet die Sekundarschule gut: „So muss man sich nicht entscheiden“, sagt er. „Und es wird niemand niedergemacht, weil er auf der Hauptschule ist.“

Vor Julius liegt ein weißes, gebundenes Ringbuch, das „Logbuch“. In ihm wird der Junge künftig seinen persönlichen Lernplan dokumentieren, denn die Sekundarschüler sollen selbstständig lernen. In Mathe, Deutsch und Englisch gibt es Blockstunden, alle anderen Themen werden fächerübergreifend vermittelt. Jeder Schüler kann entscheiden, wann er genug weiß, um einen Test zu schreiben.

Frontalunterricht, wie Bärbel Moritz ihn 25 Jahre lang gehalten hat, soll es hier nicht mehr geben. Die Lehrer haben Fortbildungen besucht und im vergangenen Schuljahr jede Woche am neuen Konzept gebastelt. Sie haben Karteikarten erstellt und Arbeitsblätter, die sich jetzt in der Praxis bewähren müssen.

„Kann sein, dass ein Baustein ein Jahr dauert – oder nur drei Wochen“, sagt Moritz. Genau könne das noch keiner sagen, schließlich steht das Konzept noch am Anfang. Ähnlich wie der Bau der neuen Mensa, die im Herbst nächsten Jahres fertig werden soll. Bis dahin essen die Schüler in einem anderen Gebäude zu Mittag – denn die Brandt-Schule ist nun auch eine Ganztagsschule. Manch älterer Schüler sieht das kritisch: Dominic ist in der neunten Klasse und froh, dass er noch nicht von der Reform betroffen ist. Wer bis 16 Uhr in der Schule sei, sagt er, dem bleibe ja kaum Zeit für andere Aktivitäten.

Auch an der Wilmersdorfer Otto-von-Guericke-Sekundarschule ist ein optimistischer Neustart zu beobachten. Zwar ist immer wieder zu hören, dass sich die ehemaligen Realschulen als Verlierer der Reform sehen, weil sie sich als Sekundarschulen verstärkt mit Hauptschülern befassen müssen. In Wilmersdorf sieht man das aber anders. „Wir hatten auch bisher schon 20 Prozent Hauptschulempfohlene“, berichtet Barbara Kolodziej, die die Guericke-Schule bisher geleitet hat und auch Standortleiterin in der Eisenzahnstraße bleibt. Insgesamt fusionieren hier drei Schulen zu einer Schule mit künftig zwei Standorten.

„Die Stimmung ist entspannt“, berichtet auch die künftige Leiterin der fusionierten Schule, Martina Schult. Als „Verlierer“ sehe sich das Kollegium schon deshalb nicht, weil es künftig mehr Unterstützung von Sozialarbeitern habe. Einzig problematisch sei die komplizierte Aufteilung auf die beiden Standorte. Bisher klappe das aber ganz gut – mit regelmäßigen Treffen aller drei Schulleiter.

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