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Sonderpädagogik: Behinderte Kinder sollen in Regelschulen gehen

In Berlin leben rund 20.000 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. In Zukunft sollen sie vermehrt und in allen Bezirken die Möglichkeit haben, Regelschulen zu besuchen. Dafür sollen Förderzentren aufgelöst werden.

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen ab übernächstem Schuljahr mehrheitlich an Regelschulen unterrichtet werden. Ein entsprechendes Konzept, das im Senat bereits beschlossen wurde, stellte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) am Dienstag vor. Damit soll schrittweise die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) umgesetzt werden, die Deutschland 2009 ratifizierte und die verlangt, dass es Menschen mit Behinderung leichter gemacht wird, gemeinsam mit gesunden Schülern zu lernen. „Der Normalfall in Berlin soll die inklusive Schule sein“, sagte Zöllner.

Geplant ist, die größte Gruppe der Kinder mit Förderbedarf, die die Förderschwerpunkte „Lernen“, „Sprache“ und „emotional-soziale Entwicklung“ haben, an Regelschulen zu unterrichten. Diese Kinder sollen also in allen Berliner Grund- und weiterführenden Schulen unterrichtet werden. Laut Senatsbildungsverwaltung sind dies von knapp 20 000 Kindern mit Förderbedarf rund 74 Prozent.

Außerdem sollen auch Kinder mit Autismus, mit Körper-, Sinnes- und geistigen Behinderungen verstärkt gemeinsam mit gesunden Kindern unterrichtet werden. Dafür, so Zöllner, sollen in jedem Bezirk mindestens eine Grundschule und eine Sekundarschule zu inklusiven Schwerpunktschulen entwickelt werden. Dort sollen jeweils Kinder mit einem bestimmten Förderschwerpunkt angenommen werden.

Um dies zu erreichen, soll schrittweise die Mehrzahl der Förderzentren aufgelöst oder zu „Beratungs- und Unterstützungszentren“ für die Schulen in den Bezirken werden. Die dort frei werdenden Sonderpädagogen sollen an den Regelschulen angestellt werden. Zwar würden einige Förderzentren und damit auch das Wahlrecht der Eltern bestehen bleiben, sagte Zöllner: „Das oberste Ziel ist nicht in jedem Fall die integrative Beschulung.“ Insbesondere die Zahl derjenigen Zentren, die bisher Kinder mit den drei Förderschwerpunkten „Lernen“, „Sprache“ und „emotional-soziale Entwicklung“ aufnehmen, werde jedoch „massiv“ reduziert.

In Berlin werden derzeit rund 42 Prozent aller behinderten Schüler integrativ beschult. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist dies ein recht hoher Anteil – in Nordrhein-Westfalen oder Hessen etwa liegt der Wert unter zehn Prozent. Dabei steigt der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Berlin insgesamt an. Waren es vor zehn Jahren noch knapp sechs, haben heute rund 7,4 Prozent aller Schüler Förderbedarf. Laut Zöllner wächst die Gruppe der Schüler mit den drei Förderschwerpunkten „Lernen“, „Sprache“ und „emotional-soziale Entwicklung“ dabei am stärksten und umfasst rund 4,5 Prozent der Schüler.

Künftig soll außerdem eine „zentrale Diagnostikstelle“ die Untersuchungen zur Feststellung des Förderbedarfs der Bezirke ersetzen. Damit soll die Vergleichbarkeit des Förderbedarfs erhöht werden, nicht zuletzt, um den von Bezirk zu Bezirk stark schwankenden „und nicht sachlich erklärbaren Zahlen“, so Zöllner, entgegenzuwirken. Während der Förderbedarf in Marzahn-Hellersdorf momentan etwa bei 13 Prozent liegt, liegt er in Tempelhof-Schöneberg bei vier Prozent.

Die Kosten für die schrittweise Umsetzung des Konzepts bis 2017 „lassen sich nicht genau abschätzen“, sagte der Bildungssenator. Er erwartet jedoch keine „wesentlichen Mehrkosten“, da das Vorhaben mit den vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen, die innerhalb der Förderzentren „auch jetzt schon im System sind“, umgesetzt werden soll. Was das Personal betreffe, seien künftig etwa in einer vierzügigen Grundschule 2,7 Vollzeitstellen für Sonderpädagogen im Kollegium geplant.

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