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Berliner Grundschulen: Jeder Sechste wiederholt die zweite Klasse

Nach der Grundschulreform bleiben in Berlin mehr Kinder sitzen als vorher. Viele ganz junge Kinder schaffen das Pensum nicht.

Die vorgezogene Einschulung fordert ihren Tribut: Im vergangenen Schuljahr mussten 4300 Kinder die zweite Klasse wiederholen. Was früher nur die Ausnahme war, betraf somit rund jeden sechsten Schüler des Jahrgangs. Dies geht aus der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Sascha Steuer hervor. Grundschulpädagogen zeigen sich nicht überrascht. Sie weisen darauf hin, dass in den sozialen Brennpunktbezirken noch wesentlich mehr Kinder ein drittes Jahr in der Schulanfangsphase verbleiben. Die Schulanfangsphase soll im Regelfall nur zwei Jahre dauern, sie umfasst den Stoff der ersten zwei Schulklassen.

„Es gibt Schulen, an denen mehr als ein Drittel der Schüler diese Phase um ein Jahr verlängert“, berichtet Ellen Hansen vom GEW-Schulleiterverband. Dies sei vor allem in Schulen mit hohem Migrantenanteil der Fall. Früher hätten diese Kinder oftmals vorher die Vorklasse besucht, die es aber nicht mehr gebe. Diese Förderung müsse deshalb in die Schulanfangsphase verlagert werden.

Tatsächlich hat sich die Arbeit mit den Schulanfängern erheblich verändert. Bis das neue Schulgesetz 2004 in Kraft trat, galten für sie völlig andere Regelungen. So war es wesentlich leichter, Kinder mangels Schulreife um ein Jahr zurückzustellen: Dies betraf pro Jahr rund 3000 Kinder, die dann erst mal die Vorklasse besuchten und anschließend – mit sieben Jahren – eingeschult wurden. Zudem gab es für rund 1250 Kinder pro Jahr die Möglichkeit, sogenannte Dehnklassen zu besuchen: Dort hatten die Kinder mit starkem Förderbedarf mehr Zeit und mehr Betreuung für die wichtige Phase der Alphabetisierung. Ebenfalls weggefallen sind mit der Grundschulreform die Anfangsklassen für Kinder mit Lernbehinderung. Vor diesem Hintergrund und angesichts dessen, dass zusätzlich noch die Schulpflicht um ein halbes Jahr vorgezogen wurde, wundert es die Lehrer nicht, dass vergangenes Jahr 4300 der rund 25 000 Zweitklässler nicht in die dritte Klasse versetzt wurden, sondern erst mal ihr Basiswissen festigen sollten.

Ebenso wie Ellen Hansen glaubt auch Inge Hirschmann vom Grundschulverband, dass die Zahl der Wiederholer kleiner gehalten werden könnte, wenn die Kinder besser vorbereitet aus der Kita kämen. Leider werde das Kita-Bildungsprogramm noch nicht vollständig umgesetzt, bedauert Hirschmann. Beide Schulleiterinnen gehen davon aus, dass die Schulen eine noch größere Zahl von „Verbleibern“ zulassen würden, wenn sie sich dadurch nicht vor große organisatorische Probleme stellen würden: Je mehr Kinder in der Schulanfangsphase bleiben, desto weniger Platz ist für die nachrückenden Erstklässler, die mit den Zweitklässlern eigentlich zu gleichen Teilen die Schulanfangsphase durchlaufen sollen. „Die Mischung stimmt dann nicht mehr“, beschreibt Hansen die missliche Konsequenz.

Auch Erhard Laube, Abteilungsleiter in der Senatsbildungsverwaltung, weiß, dass eine hohe Verbleiberquote mitunter zu „technischen Problemen“ in den Bezirken führt. Abgesehen davon begrüßt er es aber, dass mit dem neuen Schulgesetz die gewünschte Flexibilisierung der Schulanfangsphase erreicht werden konnte: Die höhere Verbleiberrate sei für die kleineren Kinder „eine Chance und kein Alarmsignal“. Da die Wiederholung der zweiten Klasse anders als früher nicht mehr als Sitzenbleiben gilt, haben die Schüler keine Probleme, wenn sie später nochmals eine Klasse wiederholen müssen.

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