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Schule: Das R im Logo – für den Raubkater im Mann

Der XK von Jaguar ist erst wenige Monate auf dem Markt, schon legen die Briten für Coupé und Cabrio nach: Was kann der Sportler XKR?

Menschen mit Geld haben’s nicht leicht. Ständig müssen sie sich mit sehr diffizilen Fragen herumschlagen – zum Beispiel: Welcher ist der passende Zweitwagen? Ist der Porsche 911 der richtige für den Kurztrip nach Paris oder doch der BMW M6? Nimmt man besser einen Mercedes SL oder doch einen Maserati, wenn man mal so richtig Gas geben will? Und diese Entscheidung wird jetzt noch schwieriger: In wenigen Wochen kommt die neue Topversion des Jaguar-Sportwagens XK auf den Markt, der sogenannte XKR. Ein 2+2-Sitzer, der nicht nur 120 PS mehr bietet als das „Basismodell“ XK. Er hat auch optisch einen Auftritt, der die Gemüter entzweien dürfte.

Ja, der Jaguar XKR ist eine Angeberkarre. Ein paar Fakten zum Beweis gefällig? 416 PS brodeln unter der endlos langen Motorhaube. Darunter steckt ein 4,2-Liter-V8-Motor – kompressorgeladen. Vier Auspuffrohre lugen über der fetten 275er Heckbereifung hervor. Auf speziellen Lufteinlässen in der Motorhaube ist der Schriftzug „Supercharged“ zu lesen, und die seitlichen Entlüftungsschlitze wirken wie die Kiemen eines Haifischs auf Beutezug. Wer dieses Auto fährt, will das Alpha-Männchen auf der Straße sein.

Tatsächlich? Nein, nicht unbedingt. Der XKR ist alles andere als ein motziges Angebercoupé für prollige Rüpeleien auf der Piste. Der Brite mit der Karosserie aus Aluminium hat Stil. Auf den ersten Blick dürften nur Kenner den Unterschied zum Basis-XK bemerken. Motzige Spoiler und anderer Schnickschnack fehlen. Ein dezentes „R“ im Logo am Heck weist stattdessen auf die Power vorne hin. Umrahmt wird die Energiequelle von einem speziellen Stoßfänger und einem schicken Grill in Wabenoptik. Wer dieses Auto fährt, will einen Hochleistungssportler, aber einen mit dem diskreten Charme des Understatement.

Ein Auto wie den XKR können oder wollen sich jedes Jahr in Deutschland nur wenige hundert Käufer leisten. Davon träumen werden sicherlich noch viel mehr. Denn unabhängig vom Erscheinungsbild ist eines sicher: Was die Edelschmiede da auf die Räder gestellt hat, ist längst keine Raubkatze mehr, nein, ein Raubkater ist es mindestens geworden. Das haben die ersten Probekilometer in freier Wildbahn gezeigt – und wenn die Entwickler bis ins Detail konsequent gewesen wären, hätten sie wohl den perfekten Luxussportler im Programm gehabt.

Geradezu meisterlich ist die Abstimmung von Motor und Automatik gelungen. Nicht ein Hauch von Zugkraftunterbrechung ist beim Gangwechsel zu spüren. Die mächtige Kraft des Motors treibt den Sportler unablässig nach vorn, lässt sich aber in allen Lebenslagen wohldosiert auf die Straße bringen. Fünf Sekunden reichen für den Spurt auf Tempo 100. Wer das auskostet, bekommt den Sound einer V8-Tonleiter, den die Jaguar-Experten mit Bedacht komponiert haben: satt und frech in der Beschleunigung, ruhig grummelnd beim entspannten Cruisen.

Das Fahrwerk ist dabei durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Auf der langen Geraden wie auf der bergigen Serpentinenstrecke ist der XKR wie an die Straße geheftet und lässt sich dabei geradezu gutmütig steuern. Bodenwellen und holpriges Pflaster schluckt er komfortabel und versteht es dennoch, stets den direkten Kontakt zur Straße zu vermitteln. Für dieses Fahrverhalten kann man nur Pluspunkte verteilen. Nicht gerade gentlemanlike ist allerdings der Durst des Briten: 12,3 Liter soll er sich durchschnittlich auf 100 Kilometer genehmigen. Bei ruhiger Fahrt. Wer allerdings etwas von der Leistung des Sportlers spüren will, nähert sich schnell der 20-Liter-Marke.

Fahrer und Beifahrer können es sich in dem Luxusgefährt auf weichen Ledermöbeln bequem machen. In schnell gefahrenen Kurven geben sie guten Seitenhalt, auf langer Strecke lässt es sich auf ihnen ganz entspannt reisen. Das Gepäck wird derweil nicht nur im bescheidenen Kofferraum liegen, sondern höchstwahrscheinlich auch auf der Rückbank des 2+2-Sitzers. Aber die hinteren Sitze dienen wohl ohnehin eher einem optischen Zweck. Wie dort ein erwachsener Passagier sitzen soll, möchte man sich lieber nicht vorstellen. Wie gesagt, es handelt sich ja meist um den Zweitwagen einer Käuferschaft, die in dieser Hinsicht auch von der Konkurrenz nichts anderes zu erwarten hat.

Rund 95 000 Euro soll das Coupe kosten, das Cabrio gibt’s ab 103 000 Euro. Das ist für ein Auto dieser Klasse nicht teuer. Ein paar Euro sollte man sich allerdings noch zurücklegen – für individuelle Nacharbeiten. Denn die Jaguar-Verantwortlichen haben ausgerechnet im Innenraum einen ungewöhnlichen Sinn fürs Sparen gezeigt. Wo man bei Verarbeitung und Materialien ausschließlich Edles aus Holz, Leder oder Aluminium erwartet, stößt das Auge plötzlich auf Wohlvertrautes aus der Mittelklasse: Die Türgriffe und die Einfassung des Navigationsdisplays sind aus schnödem Kunststoff. Unbelievable!

Roland Koch

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