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Schule: Die mit den Pfunden wuchert

Triumphs Rocket III bringt satte 350 Kilo auf die Waage – und erstaunlich leichfüßig auf die Straße

Normalwüchsige Menschen, so von zwei Zentnern an aufwärts, bekommen inzwischen überall Stress – zunehmend sogar im Flugzeug, wo sie sich in die Kindersitze pressen müssen, die da heutzutage verbaut werden. Solcher Zoff kommt natürlich zuerst bei unseren amerikanischen Freunden auf, die beim Rechtsstreit oft so viel Schadenersatz herausholen, dass er für den Kauf zweier Airlines ausreicht. Dabei bietet das alte Europa seit einem Jahr einen Ausweg, der übrigens auch guter alter USTradition entspricht. Es ist die Fortsetzung des Horsebackridings mit modernsten Mitteln sozusagen: Mit der Rocket III krönt Triumph notfalls wirklich jede Figur.

So um die 350 Kilo Leermasse abflugfertig wiegt die Rocket III, das reicht für die meisten Beschwerdefälle völlig aus und ist bei einer Sitzhöhe von 740 Millimetern für alle erreichbar. Sobald man damit rollt, fallen sie auch gar nicht mehr ins Gewicht, die Kilos. Die Beine cruiserig nach vorn geschlunzt, die Arme lässig für den Lenker ausgebreitet, als gelte es, die Welt zu umarmen – das ist der Fahrstil, der gerade einer breiten Zielgruppe auf den Leib geschneidert wurde. Ein leptosomer Diätfuzzy hingegen fiele da gar nicht auf, sähe er doch allenfalls aus wie eine Radioantenne an der falschen Stelle.

Sicher, die Sitzposition, der Radstand von 1690 Millimeter, die beiden außen liegenden Federbeine hinten und eine Heckschlappe mit den Ausmaßen 240/50 - R 16 (vorn: 150/80 - R 17) deuten auf die Lieblingsbeschäftigung der Rocket hin, aufs Geradeauslaufen. Aber wenn’s kurvig wird, kann sie durchaus mithalten – nur in Spitzkehren kommt sie bauartbedingt an ihre Grenzen, da fahren sich andere Moppeds natürlich leichter.

Auf den anschließenden Geraden braucht das mächtige Gefährt wahrlich nicht mit seinen Pfunden zu wuchern, es besitzt schließlich einen außergewöhnlichen Motor, der mit jeder Last fertig wird. Das flüssigkeitsgekühlte Aggregat (mit Einspritzung und G-Kat) verfügt über 2,3 Liter Hubraum, verteilt auf drei Zylinder. Das gibt 200 Newtonmeter Drehmoment bei 2500 Umdrehungen pro Minute. Insgesamt 140 Pferde (bei 5750/min) warten auf ihren Einsatz für wirklich schwer wiegende Fälle. Die meisten der Vierbeiner räkeln sich jedoch in Ruhelage, denn wann könnte man eine solche Leistung schon ausfahren?

Genau das hat sich Triumph auch gedacht und das maximale Drehmoment in den ersten vier Gängen auf 160 Newtonmeter elektronisch begrenzt. Selbst die Spitzengeschwindigkeit findet bei 215 km/h ihren Endpunkt, aus Gründen der Produkthaftung. Ohne diese Drossel brächte sie über 280 km/h, aber das in Cruiserhaltung, ohne Windschutz? Nein, danke.

Die Rocket ist zum herumbrummeln gebaut, mit 50 km/h im vierten Gang liegen gerade einmal 1400/min an, bei 100 km/h sind es 2200/min. Ab 1200/min wird so viel Durchzugskraft frei, dass es den Jumbo wie am Gummiband nach vorn zieht. Die rote Markierung beginnt bei 6500/min.

Witzig aufgeteilt ist der Motor-Getriebe-Block: Rechts stehen die Zylinder, links drehen sich die Zahnräder. Sie machen aus ihrer Anwesenheit kein Geheimnis, man braucht nur zu schalten, um sie zu hören. Apropos witzig: Die Drei-in-drei-Auspuffanlage macht nicht nur während der Fahrt angenehme Geräusche, sondern auch danach. Das Abkühlen verursacht ein Knistern, das so laut ist wie die Einwickelmaschine einer Bonbonfabrik. Die erstaunlich leichtgängige Kupplung wird per Seilzug an den vorderen linken Blockteil herangeführt. Hinten links geht der Kardan ans Heck heraus.

Gebremst wird mit der inzwischen allgemein üblichen Kombination aus zwei Vierkolben-Festsattelzangen vorn und einer Zweikolben-Schwimmsattelzange hinten. Die Verzögerung ist dem Gesamtkunstwerk angemessen gut.

Instrumente und Armaturen entsprechen dem für Triumph typischen, guten Standard. Nimmt man die Sitzbank ab, findet sich unter einer Abdeckung das ordentlich verpackte, klappersichere Werkzeug. Aber wann braucht man das schon?

Vielleicht dann, wenn eine Leuchtdiode ganz rechts im Drehzahlmesser aufglimmt. Das beigeordnete Symbol zeigt eine Glocke. Ruft damit etwa das Mopped zum klingelnden Handy? „Aber nein“, beruhigt Bernard Velten, Triumph-Händler und Eigner des Probefahrt-Gefährts. „Das wäre nur eine Warnmeldung der Elektronik, sobald sie einen Fehler aufgespürt hat.“

Auf der Probefahrt gab allerdings nur die Spritdiode eine Warnmeldung heraus, allerdings zu einem Zeitpunkt, da in dem 25-Liter-Tank eigentlich noch 13 Liter Eurosuper vorhanden gewesen sein müssten. Bei einem Verbrauch knapp an sieben Litern pro 100 Kilometer Distanz wäre also noch einiges an Streckenlänge drin gewesen. Aber daran zeigt sich die Fürsorge der Konstrukteure: Sie möchten einfach nicht, dass man dieses Gefährt schieben muss ...

Dennoch: Über den Ladentisch schieben muss man für die Rocket III einiges, nämlich 17 750 Euro. Das ist massig viel, aber dafür gibt’s eben auch viel hochklassige Masse. Und abspecken, das können schließlich andere.

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