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Einschulung mit Fünf: Frühstart mit Hindernissen

Eine Studie zur Früheinschulung untersucht die Folgen. Anfängliche Rückstände bei der Leistung verschwinden. Zumindest statistisch.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sieht sich in ihrer Entscheidung bestätigt, am frühen Einschulungszeitpunkt festzuhalten. Am Montag präsentierte sie die Ergebnisse einer Untersuchung, bei der die Leistungen der Berliner Schüler in Abhängigkeit von ihrem Alter verglichen wurden. Sie legen den Schluss nahe, dass die jünger eingeschulten Kinder kaum benachteiligt sind. Zudem gab die Bildungsverwaltung bekannt, dass die fünfjährig eingeschulten Kinder nicht wesentlich häufiger in der Schulanfangsphase verweilen müssen als jene Kinder, die bei der Einschulung bereits ihren sechsten Geburtstag gefeiert hatten.

Jedes fünfte Kind verweilt in der Schulanfangsphase

„Von den jüngeren Kindern verweilen 21,5 Prozent in der dritten Klasse, von den Sechsjährigen 18,3 Prozent“, referierte Scheeres die Zahlen ihres Hauses. Der Unterschied betrage also nur 3,2 Prozent, wenn man staatliche und freie Schulen zusammen betrachte. Betrachtet man die freien Schulen allein, zeigen sich zwei Unterschiede: Zum einen verweilen hier nur halb so viele Kinder wie in den öffentlichen Schulen. Zum anderen ist die Differenz zwischen den älteren und den jüngeren Kindern offenkundiger: In den freien Schulen verweilen nur sechs Prozent der älteren Kinder, aber zehn Prozent der jüngeren. Die geringere Verweilerquote könnte damit zu tun haben, dass viele freie Schulen, insbesondere die Waldorfschulen, den Kindern noch eine Art Vorschuljahr zubilligen, sodass sie mindestens sechs sind, wenn sie in die erste Klasse kommen.

Ganz schön jung.
Ganz schön jung.

© Mike Wolff

Um die „Bildungserträge“, also die Leistungen der Kinder je nach Einschulungsalter vergleichen zu können, hatte das Institut für Schulqualität Berlin-Brandenburg (ISQ) die Ergebnisse von Vergleichsarbeiten jener Schüler herangezogen, die 2005 als erster Jahrgang von der Früheinschulung betroffen war. Dabei kam laut ISQ-Leiter Martin Brunner heraus, dass die fünfjährig Eingeschulten in Klasse 2 Leistungsrückstände von etwa vier Monaten hatten. Diese Rückstände in Mathematik und im Lesen hätten aber bereits in Jahrgangsstufe 3 „weitgehend ausgeglichen“ werden können, bilanzierte Brunner die Ergebnisse. In Jahrgangsstufe 8 lag die mittlere Leistung der jüngeren Schüler dann „mindestens auf dem Niveau der älteren Schüler“.

Die CDU will das Einschulungsalter gesetzlich ändern

Kinder mit sechs Jahren automatisch einschulen. Die anderen sollen aber eingeladen werden Verwunderlich ist das allerdings nicht, denn in der dritten und achten Jahrgangsstufe fehlten dann ja jene Schüler, die in der Schulanfangsphase hatten verweilen müssen. Die schwächeren Kinder waren also nicht mehr dabei, unter ihnen überproportional viele Kinder mit Migrationshintergrund: Ihr Anteil sank von Jahrgangsstufe 2 zu Jahrgangsstufe 3 von 33 auf 27 Prozent, was die besseren Fertigkeiten – insbesondere im Lesen – mitbegründen kann. Insofern sind die ISQ-Ergebnisse nur bedingt aussagefähig. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten ist es sehr unwahrscheinlich, dass die CDU von ihrem Vorhaben abrückt, das Einschulungsalter heraufzusetzen. Wie berichtet, hat der kleine Koalitionspartner bereits festgelegt, dass er die Berliner Früheinschulung schon vor 2016 kippen will. Sollte die SPD sich weiterhin diesem Vorhaben verweigern, dürfte die Früheinschulung zum Wahlkampfthema der CDU werden.

Scheeres will es so lassen wie es ist

sieht Anders als Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) bestreitet Scheeres, dass es an den Schulen eine große Unzufriedenheit mit der Früheinschulung gibt. „Auf meinen Schultouren ist das Thema in keiner Schule angesprochen worden“, betonte die Senatorin. Daher wäre es falsch, „jetzt hektisch zu agieren“. Auch den Eindruck von Giffey, dass es keine Fachleute mehr gebe, die sich für die Früheinschulung aussprächen, teilt Scheeres nicht. Es handele sich „um einzelne Lehrkräfte, die nicht gelernt haben, mit Heterogenität umzugehen“.

ISQ-Chef Brunner flankierte Scheeres’ Ausführungen mit Vergleichsdaten aus dem europäischen Ausland. Demnach waren im Jahr 2005 in den meisten europäischen Ländern alle Sechsjährigen bereits in der Schule. In Deutschland waren es damals nur rund 50 Prozent der Sechsjährigen. Inzwischen dürfte sich das allerdings geändert haben, da viele Bundesländer ihre Einschulungspraxis geändert haben. Warum Martin Brunner derart alte Zahlen präsentierte, wurde nicht erläutert. Er lieferte allerdings die Begründung für die Berliner Früheinschulung: Die Kitabesuchsquote der Kinder mit Migrationshintergrund sei noch immer wesentlich geringer als bei den Deutschstämmigen: Da es keine Kitapflicht gibt, will Berlin mit Hilfe der Früheinschulung speziell die Kinder von Zuwanderern erreichen, die keine Kita besuchen.

Die Grünen hatten die Auswertung der Früheinschulung beantragt

Die grüne Bildungsexpertin Stefanie Remlinger kritisierte Scheeres' Entscheidung, die Befunde erst am Dienstag der Opposition zur Verfügung zu stellen. Wie berichtet, hatten die Grüne die Evaluation beantragt und so lange gefordert, bis die Koalition einen eigenen Antrag einbrachte.

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