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Ökologie

© ddp

Grundschule: Kleine Klimaretter

Fit für die ökologische Zukunft: An der Grundschule im Grünen wird gelernt, Verantwortung für Tiere und Natur zu übernehmen. Hier wird - und das ist einmalig in Deutschland - das Fach "Umweltlehre" unterrichtet.

Die Malchower Dorfstraße ist nicht gerade ein visionäres Pflaster: Lange Autoschlangen brummen gen Autobahn, einige der grau verputzten Häuser stehen leer und verfallen da. Und Menschen sind kurz nach neun nur vor dem Angelladen zu sehen. Zur Grundschule im Grünen geht’s nach links auf ein weitläufiges Parkgelände. Und schon nach wenigen Metern macht der Autolärm Bäumerauschen, Vogelzwitschern und Schafsblöken Platz. Allein dieser Kontrast wirbt auf Anhieb überzeugend für die Idee der Umweltschule, die seit 1991 die Gebäude der ehemaligen polytechnischen Oberschule bezogen hat. Das hier unterrichtete Fach Umweltlehre ist deutschlandweit einzigartig.

Rektor Tobias Barthl, 42, war von Anfang an dabei und nennt die Schule „ein Stück meines Lebens“. Sein enges Zimmer teilt er mit zwei Vogelspinnen und einem Leguan. „Das ist Guido“, stellt er ihn vor. Irgendjemand habe den Leguan im Pappkarton vor die Schule gestellt. Ein Fundstück, wie die meisten der 160 Tiere auf der Knirpsenfarm. Als Schulleiter einer Umweltschule müsse er mit gutem Beispiel vorangehen, sagt Barthl, und habe Platz für Guidos Terrarium gemacht. Nicht nur er: Der Konrektor hat einen Python bei sich wohnen und im Sekretariat steht ein Aquarium mit Fischen auf dem Tresen.

Die Grundschule im Grünen ist ein offener Ganztagsbetrieb

Unterricht und Hortbetreuung laufen von 6 bis 18 Uhr. 437 Schüler gibt’s zurzeit, die meisten kommen aus Lichtenberg und Pankow. Allesamt aus Öko-Elternhäusern? „Nein“, meint Tobias Barthl, an dessen Knöchel ein Sonnentattoo lacht, „die Eltern haben da oft genauso viel Nachholbedarf wie die Kinder.“ Es seien aber in der Regel bildungsinteressierte Leute, die sich für ihre Kinder eine neue Art der Wissensvermittlung wünschen. „Und da bietet die Berliner Schullandschaft weiträumige Gestaltungsmöglichkeiten“, hat Rektor Barthl seit der Schulgründung erfahren.

Dass hier vieles anders und offener läuft, merkt man in der Grundschule im Grünen auch an Formalien oder besser daran, dass sie fehlen. Die Schulglocke klingelt nur morgens und zu den großen Pausen. Es gibt keinen strikten 45-Minuten-Takt, sondern die Klassen oder übergreifenden Lerngruppen können auch selbstbestimmte 80, 90 oder 100 Minuten lernen. Im Komplexunterricht fließen in den 5. und 6. Klassen Biologie, Geschichte und Erdkunde zusammen, und die Umweltlehre schließt Abenteuerspielplatz sauber halten, Garten- und Bauernhofarbeit ein. Auch Eltern kommen am Wochenende regelmäßig zum Ausmisten und Füttern vorbei.

Praxisnahes Lernen wird gefördert

Chefin der Tierstation ist Manuela Hauser, 34, die auch auf den Besuch von Familien und Nachbarskindern aus dem Kiez eingestellt ist. Welche Tiere die Kinder am meisten lieben? „Alle, die sich streicheln lassen“, schätzt sie die Lage realistisch ein. Ihre Stelle und die ganze Farm samt Tierkeller und Futterküche finanzieren Spenden und die „Malchower Grashüpfer“, ein 400 Mitglieder zählender Verein aus Eltern und Freunden der Schule. Und dann stürzt sich auch schon ein Schwarm Drittklässler auf Kaninchen, Entenküken, Ziegenböcke und grunzende Minischweine.

Die acht- und neunjährigen Felix, Anna, Timm, Vincent und Leonhard haben „alle Tiere gleich gern“ und erzählen begeistert vom Kartoffeln- und Kräuterpflanzen im Knirpsengarten. Was sie so in Umweltkunde lernen? „Dass Autos und Flugzeuge Abgase ausstoßen, die schlecht fürs Klima sind“, sagt Leonhard. „Und dass es nicht gut für die Eisbären ist, wenn man die Kühlschranktür lange auflässt“, ergänzt Timm. Vincent hat sogar einen Vortrag über Knut und das Leben „richtiger Eisbären“ gehalten. Aufgerichtet seien die 3,40 Meter hoch. „Ich denke vier Meter zwei“, merkt Timm skeptisch an. Und dann gehen beide den alten Schafbock Napoleon besuchen.

In Harmonie mit Mensch und Natur

Mensch und Natur als Einheit zu betrachten, sei Inhalt der Umweltlehre, sagt Tobias Barthl und begrüßt Schulpapagei Coco. Das ergäbe Themen wie: Wohin kommt und geht der Müll?, Tiere und Pflanzen des Jahres, Kinder in aller Welt oder kleine und große Klimaretter.

„13 Mitarbeiter mit Fahrrad erschienen“, zählt der Rektor zufrieden, als er am Fahrradständer vorbeigeht. Fast unnötig zu erwähnen, dass die Schüler Krötenzäune am Malchower See bauen, eine Solaranlage installiert ist und die Schule nachhaltig und energiesparend wirtschaftet. Ob das Konzept in Zeiten des Klimawandels richtungsweisend sei? „Jedenfalls ist der Negativtouch, den das Wort Umweltschule mal hatte, weg“, meint Barthl. Ökologisch perfekt funktionierende Wesen zu formen, sei aber absolut nicht die Absicht der Schule. Was dann? „Die Schüler sollen sie selbst sein. Freude in der Schule haben. Und sich später selbstbewusst und engagiert in die Gesellschaft einbringen.“

Weitere Informationen über die Grundschule im Grünen im Internet unter www.grundschule-im-gruenen.de
Von Von Gunda Bartels

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