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WERT sachen: Grüße

Von Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität.

Am Vorabend des Muttertages fand ich zu recht später Stunde in der Potsdamer Straße einen noch geöffneten Blumenladen, der schon durch die liebevoll gebundenen Sträuße überzeugte, die sich auf der Straße befanden, und trat fröhlich ein. Während ich auch die im Inneren des Ladens befindlichen Blumen betrachtete, trat ein anderer in den Laden ein und sagte, nicht sehr laut, aber durchaus vernehmlich: „Salam aleikum“, zu Deutsch: „Friede sei mit euch.“ Ich war viel zu verdutzt, um, wie es sich gehört, „Aleikum salam“ zu antworten und, wenn mich nicht alles täuscht, brachte auch der freundliche Blumenhändler die rechte Antwort nicht über die Lippen. Dabei heißt es so schön in einem arabischen Sprichwort: „Salam aleikum“ ist Tradition, „Aleikum salam“ ist Pflicht.

Um einen so gehaltvollen Gruß kann man Menschen aus dem Nahen Osten nur beneiden. Wir rufen uns dagegen vermuffelt „Mahlzeit“ zu, und man hört in diesem Wort schon, dass das Essen in der Betriebskantine nicht gerade zu den kulinarischen Höhepunkten des Tages zählt, auf die man sich von seinem Beginn an freut. Dass man jetzt auch immer häufiger zu Tagesbeginn ein leicht mürrisches „Moin, moin“ hört, zeigt, dass Grußformeln sich von ihrem Dialekthintergrund gelöst haben und sich das Grüßen auch unter Deutschen erheblich pluralisiert hat. Zu dieser Pluralisierung zählt leider auch, dass viele gar nicht mehr grüßen. Damit meine ich jetzt nicht die armen Zeitgenossen, die es nicht übers Herz bringen, Feinde oder Menschen, die sie dafür halten, zu grüßen und ostentativ zu Boden schauen, sondern die, die gar nicht mehr wissen, dass es sich gehört und dazu Freude bringt, sich zu grüßen. Manchmal ist die Verlegenheit ironisch gebrochen: Als ich als Schüler eine längere Zeit in Süddeutschland verbracht hatte und einen Berliner mit „Grüß Gott“ ansprach, sagte der die unvergesslichen Worte: „… wenn Du ihn triffst“.

Grüßen ist ohne Zweifel eine Wertsache. Und ein performativer Sprachakt, wie die Linguisten sagen. Etwas altertümlicher formuliert: Er bringt zu, was er sagt. Auf den Wunsch „Friede sei mit euch“ folgt mindestens im Nahen Osten irgendein Akt der Gastfreundlichkeit, es gibt ein Gläschen Tee im Laden, vor dem Geplänkel um Kauf und Verkauf. Auf den Universitäten wird untersucht, was solche performativen Sprachakte eigentlich sind; in der herrlich bunten Stadt um die Universitäten herum hat man die Gelegenheit, Grüße aus aller Herren Länder zu hören – und zu erwidern: einen wunderschönen guten Morgen!

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden dritten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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