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Guatemala: Hausaufgabe: Welt verbessern

Berliner Jugendliche sammelten Spenden für eine Schule in Guatemala. In den Ferien haben sie das Geld übergeben.

Der Lkw kommt auf dem Boden, einem Gemisch aus Erde und Geröll, zum Stehen. Tausende Liter Trinkwasser hat er auf dem Buckel. Die Fahrertür öffnet sich, und ein Mann mit einem Gewehr steigt aus. Es ist diese eine Szene, die sich ganz tief in Julianes Hirn eingebrannt hat. Mehr als drei Wochen war die 18-Jährige zusammen mit sieben anderen Schülern aus der Friedrich-Ebert-Oberschule in Wilmersdorf in der Stadt Santiago Atitlan in Guatemala unterwegs.

Das kam so: Im Oktober 2005 rauschte Hurrikan Stan über ganz Guatemala hinweg. Durch die starken Regenfälle kam es zu einem Erdrutsch, der einen ganzen Stadtteil von Santiago Atitlan, das Dorf Panabaj, unter sich begrub. Wenige Monate später tun sich in Berlin 15 Schüler mit drei Politikstudenten und zwei engagierten Lehrern zusammen und gründen an der Friedrich-Ebert-Oberschule eine Guatemala-AG. Sie wollen helfen.

Und so treffen sie sich jede Woche, um sich über Guatemala, seine Einwohner und deren Kultur zu informieren und sich zu überlegen, wie sie Spendengelder eintreiben könnten. Viele Sonntage verbringen die Jugendlichen auf Flohmärkten, wo sie altes Spielzeug oder abgetragene Klamotten ihrer Mitschüler verkaufen, sogar ein Benefizkonzert stellen sie auf die Beine. Außerdem nehmen sie Kontakt zu einer Gruppe von Frauen in Santiago Atitlan auf, deren Männer bei dem Erdrutsch ums Leben gekommen sind und die ihr Geld mit der Herstellung von traditionellen Armbändern verdienen. Die Schüler verkaufen die Bänder an ihrer Schule. Auch Juliane trägt eines am Handgelenk.

Mehrere tausend Euro gehen schließlich auf dem Konto der Guatemala-AG ein. Das Geld wollen sie gerne persönlich an eine Schule in Santiago Atitlan übergeben. In einer geheimen Wahl bestimmen sie acht aus ihrer Mitte, die dafür nach Guatemala fliegen sollen. Lehrer und Studenten sitzen auch ohne Abstimmung im Flieger. Den größten Teil der Reisekosten übernimmt ein Schüleraustauschprogramm. Vor einer guten Woche sind sie zurückgekommen.

300 Familien in einer Zeltstadt

"Hier in Berlin musste ich die ganzen Erlebnisse erst mal verkraften", erzählt Juliane. Sie erinnert sich noch genau, wie sie jeden Morgen nach dem Frühstück bei den Gasteltern in das Armenviertel der Stadt gefahren sind. Inmitten von Wellblechhütten steht die Patenschule, ein kleiner Flachbau aus Beton, in dem Grundschüler unterrichtet werden. Die Kinder sind Nachfahren der Mayas. Die Berliner Jugendlichen brachten ihnen jeden Morgen ein bisschen Deutsch bei. Julianes Schüler lernten Zahlen von 1 bis 20, andere hielten einen Vortrag über die Hauptstadt. Im Ökologieunterricht versuchen sie, ihren Schützlingen das Prinzip der Mülltrennung näherzubringen. In der Stadt gibt es kaum Mülleimer.

Am Nachmittag trifft sich die Gruppe mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen. Sie zeigen ihnen das Dorf Panabaj. Wo früher Häuser standen, leben knapp zwei Jahre später die 300 Familien immer noch in der Zeltstadt, die damals eigentlich nur als Übergangslösung gedacht war. Ein paar Meter weiter stehen die Häuser, die für sie gebaut wurden, bei einigen fehlt nur noch das Dach. Doch keiner wird jemals dort wohnen können, weil die neuen Behausungen ohne Fundament auf die abgerutschte Erde gesetzt wurden. Es besteht Einsturzgefahr.

Es ist einer von vielen Momenten auf der Reise, der den Schülern aus Berlin klarmacht, wie nichtig einige Probleme in Deutschland sind. "Wir jammern über Sachen, wo es nichts zu jammern gibt", sagt Juliane. Als sie den bewaffneten Fahrer des Trinkwasserlasters gesehen hat, hat sie begriffen, wie kostbar das kühle Nass eigentlich ist.

Juliane wäre gern länger in Guatemala geblieben, auch den anderen fiel der Abschied schwer. Was bleibt, ist ein riesiger Stapel Fotos und ein Film, den sie über ihre Reise gedreht haben. Den wollen sie in der Schule zeigen. Im neuen Schuljahr will die Guatemala-AG weiter Spenden sammeln, damit einige Kinder aus ihrer Patenschule nach Deutschland kommen können. "Eine gute Zeit dafür wäre Januar. Dann müssen die Kinder nicht auf den Feldern mithelfen", sagt Juliane. (anr)

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