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Islam-Kita: "Hier werden keine Paschas herangezogen"

Vor einem Jahr eröffnete die umstrittene Islam-Kita Morgenland. Die Leiterin versichert: Wir sind ein ganz normaler Betrieb.

Von Sandra Dassler

„Ich bin so viel alt“, sagt Esma und spreizt angestrengt vier Finger ihrer Hand in die Luft. Den Daumen versteckt sie in der Hand. „Ich bin so viel alt“, „Ich bin so viel alt“ eifern ihr andere Kinder aus der „Katzengruppe“ der Kita Morgenland nach und recken ebenfalls ihre Finger nach oben – auch wenn die meisten längst sagen können „Ich bin fünf“ oder „Ich bin vier“. So alt sind die meisten Mädchen und Jungen, die an diesem Vormittag an kleinen Tischen malen oder Türme aus Plastiksteinen bauen. Ein dunkelhaariges Mädchen sitzt an einem Spielzeugherd und klappert mit Kochtopfdeckeln: „Essen ist fertig“ ruft es in den hellen Raum, an dessen Wänden neben selbst gemalten Bildern auch die Zahlen von 1 bis 20, das „Alphabet der Tiere“ und ein paar Zuckertüten mit den Bildern jener Kinder hängen, die bald zur Schule gehen werden.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Kita Morgenland in der Weddinger Brunnenstraße nicht von anderen Kitas. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass nicht nur die beiden Mütter, die ihre Kinder noch zur Eingewöhnung begleiten, Kopftücher tragen, sondern auch eine Erzieherin. Und dann ist da noch Ilknur W., die hier – sozusagen als Verwaltungsleiterin – den Träger der Kita, den Verein Morgenland, vertritt und neben dem bunten Kopftuch ein langes grünes Gewand trägt.

„Es hat sich alles normalisiert“, sagt Ilknur W.: „Vor einem Jahr konnten wir uns vor Journalisten nicht retten.“ Im Juni 2008 war bekannt geworden, dass die erste islamische Kita in Berlin eröffnet hatte, obwohl ihr die Betriebsgenehmigung zunächst verweigert worden war.

Das lag daran, dass der damalige Vorsitzende des Vereins im Verdacht stand, mit Islamisten zu sympathisieren: Sinan W., ein heute 25-jähriger Deutschtürke, unterhielt bis vor einigen Jahren Kontakt zu der islamistischen Partei Hizb-ut-Tahrir, die 2003 in Deutschland verboten wurde. Später distanzierte sich Sinan W. von Hizb-ut-Tahrir und auch von volksverhetzenden Texten, die er bis 2004 im Internet veröffentlicht hatte.

Nachdem er 2008 den Vorsitz des Vereins Morgenland an seinen Vater abgetreten hatte, sah das Landesjugendamt keine Möglichkeit mehr, die Betriebsgenehmigung zu verweigern. Allerdings erteilte es strenge Auflagen. So kündigte Mittes Jugendstadtrat Rainer Maria Fritsch (Linke) unter anderem Kontrollen in der Kita an. Die habe es auch gegeben, sagt der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Kenneth Frisse: Die Kita-Aufsicht war drei Mal an Ort und Stelle, davon zwei Mal unangemeldet. Es bestehen derzeit keinerlei Bedenken.“ Außerdem, sagt Frisse, habe der Träger selbst häufig telefonischen Kontakt zur Kita-Aufsicht gesucht und sich zu personellen und pädagogisch-inhaltlichen Fragen beraten lassen.

Ilknur W. nickt: „Ja, wir haben sehr guten Kontakt zu den Behörden, die uns schon oft geholfen haben.“ Das sei gut, denn ihre Kita habe ähnliche Probleme wie andere Einrichtungen in sozialen Brennpunkten auch: Der Migrantenanteil ist hoch, manche Kinder sprechen und verstehen kein Deutsch, wenn sie aufgenommen werden, viele Familien leben von Hartz IV, so dass selbst die zwei Euro, die sie für den Sportunterricht zuzahlen müssen, schwerfallen.

„Wir haben jetzt 45 Kinder hier und eine Warteliste“, sagt Ilknur W.: „Momentan können wir nur für den Krippenbereich aufnehmen.“ Die 26-jährige gelernte Bürokauffrau hat zuvor als Verwaltungsleiterin in einem Kindergarten am Leopoldplatz gearbeitet. Dort sei ihr auch die Idee für eine islamische Kita gekommen, erzählt sie. Immer wieder hätten muslimische Mütter nachgefragt, ob es keine Möglichkeit gebe, in Wedding eine islamische Kita einzurichten.

Aber was unterscheidet die Kita Morgenland nun von anderen? „Nicht viel“, sagt Ilknur W.: „Wir versuchen, den Kleinen die islamischen Traditionen nahezubringen. Sie lernen zum Beispiel, dass der Ramadan etwas Besonderes ist, auch wenn sie selbst natürlich noch nicht fasten. Und wir kochen halal, also nach islamischen Regeln. Darauf legen unsere Eltern allerdings großen Wert.“

Deshalb hängt im Flur auch ein Zettel mit der Anschrift des Supermarktes, wo die beiden Morgenland-Köchinnen einkaufen. Die Kinder streng gläubiger Muslime haben es oft schwer. Deutsche Gummibärchen beispielsweise waren bislang tabu, weil sie mit Schweine-Gelatine hergestellt werden. Jetzt macht Haribo aber auch kleine Moslems froh und hat Halal- Bärchen auf den Markt gebracht, die in der Türkei ausschließlich mit Halal-Rindergelatine produziert werden.

Ansonsten, sagt Ilknur W., versuche man den Kindern die Regeln des weltoffenen, des toleranten Islams nahezubringen. „Hier werden keine Paschas herangezogen, es gibt keine Trennung von Jungen und Mädchen, alle gehen zum Sport oder zum Schwimmen.“ Bei so kleinen Kindern sei dies allerdings ohnehin selbstverständlich, sagen Kritiker der islamischen Kindertagesstätte. Sie bezweifeln immer noch, dass in der Morgenland-Kita alles nach demokratischen Spielregeln zugeht. Und sie befürchten, dass die Kita nur als „Tarnung für bestimmte islamistische Netzwerke“ diene.

Ilknur W. findet solche undifferenzierten Vorwürfe unfair. Über ihren Mann Sinan möchte sie nicht reden. Dass aber ihre anderen Familienmitglieder immer wieder als fundamentalistisch bezeichnet werden, sei schlicht falsch. Für sie gehe es hier ausschließlich um die Kita und die Kinder. Die junge Frau lächelt: „Mir macht das großen Spaß.“ Deshalb wird sie auch demnächst eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen.

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