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Pro & Contra: Kampf ums Klassenzimmer

Die Bundeswehr darf in Schulen über sich informieren. Das ist politisch umstritten – ein Pro & Contra

Der Bundeswehr fehlen Fachkräfte. Ärzte, IT-Spezialisten, Flugzeugmechaniniker, Piloten. Auch die Eliteeinheiten sind dringend auf qualifizierten Nachwuchs angewiesen. Deshalb werben speziell geschulte Offiziere auch an Berliner Oberschulen um die besten Köpfe. Fast 200 Schulbesuche gab es in den vergangenen drei Jahren.

Das geht vielen Eltern, Lehrern und Schülern entschieden zu weit. „Bundeswehr raus aus den Schulen!“, fordert ein Protestbündnis aus GEW, Landesschülervertretung und der Linken. Am Freitag demonstrierten 150 Menschen vor dem Schadow-Gymnasium in Zehlendorf gegen die Berufsberatung durch die Bundeswehr. Die Demonstranten sehen die Neutralitätspflicht der Schule verletzt.

In einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt es, Informationen über die Bundeswehr im regulären Unterricht „sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig“. Unzulässig sei hingegen die „gezielte Beeinflussung der Schüler in eine bestimmte Richtung“. Geht es um die beruflichen Laufbahnen bei der Bundeswehr, sollte den Schülern „auch die Vielfalt beruflicher Werdegänge außerhalb der Bundeswehr“ aufgezeigt werden. Diskutieren sogenannte Jugendoffiziere über Auslandseinsätze der Bundeswehr im Unterricht, „muss die Schule ausgewogene politische Sichtweisen vermitteln“, etwa indem sie einen „militärkritischen Vertreter“ einlädt.

In der Praxis wird den Jugendoffizieren meistens allein das Feld überlassen. In Steglitz-Zehlendorf stört der Konflikt zwischen Gegnern der Bundeswehr-Präsenz und ihren Befürwortern inzwischen den Schulfrieden. Die CDU möchte die Berufsoffiziere gerne an jeder Schule sehen und hat dazu einen entsprechenden BVV-Beschluss herbeigeführt, übrigens mit Zustimmung der Grünen. Die Begründung: Damit die Bundeswehr erfolgreich international agieren könne, brauche sie „bürgerlich geprägtes Führungspersonal“.

Der Bezirksschulbeirat, ein Gremium aus Eltern, Schülern und Lehrern, hat die Schulen aufgefordert, die Empfehlung der BVV zu ignorieren. Die Schüler würden „mit Werbeversprechen von guter Ausbildung, guter Bezahlung bei sicherem Arbeitsplatz umworben. Es geht dabei aber buchstäblich um Leben und Tod“, sagt die Vorsitzende des Bezirkselternausschusses, Daniela von Treuenfels. „Das Militär hat an Schulen, Arbeitsämtern und Bildungsmessen nichts zu suchen.“ Grüne und SPD fordern zwar nicht zum Protest auf, wünschen sich aber auch „mehr Pluralität“, wenn die Bundeswehr an Schulen aktiv wird. „Es sollte auch einen Gegenpart geben, zum Beispiel Kriegsdienstverweigerer“, sagt Felicitas Tesch, Bildungspolitikerin der SPD. Ob Angebote der Bundeswehr im Unterricht für die Schüler verbindlich sind, sollten der Schulleiter oder die Schulkonferenz festlegen. „Auf jeden Fall sollte sich die Politik aus dieser Frage heraushalten.“

Bisher agierte die Bundeswehr in Berlin eher zurückhaltend. In CDU-geführten Ländern, in denen es teilweise Kooperationsverträge zwischen der Bundeswehr und den Schulverwaltungen gibt, beweist das Militär weniger Taktgefühl. In Schleswig-Holstein ist es üblich, dass Schulklassen Bundeswehrkasernen besuchen. In zwei Fällen wurde den Schülern angeboten, die Handfeuerwaffen im Schießsimulator auszuprobieren. Als es daraufhin Proteste gab, bezeichnete die Bundeswehr ihr Vorgehen als Fehler.

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Pro

Es hört sich dramatisch an, wenn die Vorsitzende des Bezirkselternausschusses von Steglitz-Zehlendorf sagt, es gehe bei den Anwerbeversuchen für die Bundeswehr um Leben oder Tod. Recht hat sie trotzdem. Denn wer Berufssoldat wird, der verpflichtet sich, überall dorthin zu gehen, wohin man ihn schickt – auch nach Afghanistan. Für ihn ist der Einsatz nicht freiwillig. Und wer ablehnt, gilt als Kameradenschwein oder Feigling. Wenigstens dies sollte jemand den umworbenen Schülern sagen, am besten einer, der weiß, wie ein Einsatz dort Menschen verändert und manchmal auch vernichtet.

Wenigstens dies muss ein 17-Jähriger erfahren, der sich für den Bund entscheidet, weil seine alleinerziehende Mutter ihm kein Studium finanzieren kann und er schon während der Ausbildung zum IT-Experten gut verdient.

Aber selbst wenn man jedem Werber einen Mahner an die Seite stellen würde: In diesem Alter sind junge Menschen leicht zu beeinflussen. Das wissen – nicht nur – die Armeen auf der ganzen Welt. Das weiß auch die Bundeswehr.

Sicher darf sie für sich werben. Aber nicht in den Schulen, denn Eltern müssen ihre Kinder dorthin schicken. Sie müssen aber nicht hinnehmen, dass dort Werbung läuft, die für das weitere Leben ihrer Kinder sehr prägend und – ja – im Zweifel auch tödlich sein kann. Sandra Dassler

Contra

Sehr erfrischend, dieser Stefan Liebich: Was ihm nicht ins linksparteiliche Weltbild passt, wird einfach wegverboten. Als Gutmensch muss Liebich zur Kenntnis nehmen, dass es Kriege auf der Welt gibt und dass in Afghanistan sogar die böse, böse Bundeswehr an einem solchen Krieg beteiligt ist. Und weil die Macht der Linken noch nicht ausreicht, das Gute in der Welt durch Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu befördern, soll der Bundeswehr der menschliche Nachschub entzogen werden, indem man ihr – Liebichs Idee – die Werbung an Schulen verbietet. Das ist Friedenspolitik à la Linkspartei, immer nach dem Motto: Hauptsache korrekte Moral. Es geht nicht darum, dass die Bundeswehr kluge Jungs aus Abiturklassen wegrekrutiert. Aber von den „Streitkräften“ ist, mit Verlaub, im Grundgesetz die Rede.

Es ist der Bundestag, der über Bundeswehreinsätze entscheidet, und deshalb sollte an den Schulen nicht der Eindruck entstehen, da würden ein paar Uniform- und Waffenfreaks Rekruten für die Fremdenlegion anheuern wollen. Liebichs Vorschlag ist typisch Linkspartei: Es geht darum, Menschen eine Wahlmöglichkeit zu nehmen, weil die Genossen entschieden haben, was richtig und was falsch ist. Doch solange die Bundeswehr noch nicht verboten ist, sollten Offiziere ihre Arbeit vorstellen dürfen. Werner van Bebber

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