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Karrieretipps für Migrantenkinder: Erfolgsrezepte beim Kuchenbacken

Zwei Klassen der Heinrich-Seidel-Schule in Berlin-Wedding haben mit Jungmanagern aus aller Welt gekocht. Dazu gab’s Karrieretipps - und der Kontakt soll nicht abreißen.

Bedröppelt schauen Houssin und Mohamed drein, als die Bleche mit dem selbst gebackenen Schokokuchen vor ihnen stehen. Nur rechts krönt eine Schicht Walnüsse die süße Versuchung auch fürs Auge. Links jedoch sind nur Nusskrümel oben drauf. Mohamed stutzt einen langen Augenblick und sagt dann einen dieser Sätze, die sich den Viert- und Fünftklässlern der Heinrich-Seidel-Grundschule an diesem Tag einprägen sollen: „Na ja, aus Fehlern lernt man.“ Dann nutzt Kartal Erköy, Projektleiter Kuchenbacken und im normalen Leben Teamleiter bei einem Maschinenbaukonzern in der Türkei, die Gelegenheit zum aufmunternden Gespräch.

Er erzählt, dass er und seine Mitarbeiter täglich neun Busse zusammenbauen. „So schnell geht das?“, staunen die beiden Schüler. „Das Prinzip ist das gleiche wie in einer Flaschenfabrik“, sagt der gelernte Ingenieur, greift zum Filzstift und malt ein Quadrat aus neun Kringeln auf ein Blatt Papier. Die Kinder sollen alle Kreise in einem Zug ohne Absetzen verbinden. Das geht aber nur, wenn man eine Denkblockade überwindet und mit dem Stift über die Grenzen des Quadrats hinauszeichnet. „Als Manager muss man auch kreativ sein“, erklärt Erköy.

19 junge Führungskräfte sind für einen Tag an der Grundschule in Wedding, um mit zwei Schulklassen gemeinsam zu kochen. Mehr als 90 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. Die Kinder bräuchten Vorbilder, sagt Schulleiterin Cornelia Flader, die bereits bei der Entwicklung von Elternkursen eine Vorreiterrolle spielte. So kam es zum Projekt, das zwei Welten auf Zeit zusammenbringt – und eigentlich sogar drei Klassen. Denn die Manager aus aller Welt – im Schnitt knapp unter 40 Jahre alt – büffeln selbst noch. Sie besuchen die „Executive MBA-Klasse“ der European School of Management and Technology (ESMT). Das heißt, sie treffen sich zwei Jahre lang immer wieder zu Seminarblöcken, um einen zusätzlichen Hochschulabschluss als „Master of Business Administration“ zu erwerben. Wer erfolgreich sein will, darf mit dem Lernen nie aufhören – auch eine Botschaft dieses Tages.

Auch Leila hat begriffen. Sie rührt noch ein letztes Mal die Mascarponecreme mit Erdbeeren um und bittet, doch einmal zu kosten. Warum das Dessert so gut schmeckt? Leila könnte jetzt vom Orangensaft, den zerbröselten Amarettini und den Vanilleschoten berichten, die in der Süßspeise sind. Tut sie aber nicht. „Weil wir alle so gut mitgeholfen haben“, sagt das Mädchen stattdessen. Gelebte Teamarbeit ist auch das unaufhörliche Schnippeln von Paprika und Champignons in der Pizza-Gruppe. Weil der Einzelne in der Gruppe nicht untergehen soll, kommt neben herkömmlicher Salami auch die von Samed so geliebte Sucuk drauf. „Passt das so, Joachim?“, fragt er, als er die Wurst in fingerdicke Scheiben schneidet. „Ein bisschen dünner“, antwortet Joachim Sasse. Er sei vom Engagement der Schüler durchaus überrascht, meint der Teamleiter bei der Lufthansa. Und er hoffe, das Brutzeln entfalte über den Tag hinaus seine Wirkung.

Fix sind insgesamt drei gegenseitige Besuche. Vor der Kochaktion haben die Schüler bereits die Hochschule besucht und darüber gestaunt, dass die Bibliothek dort aus überraschend wenig Büchern und umso mehr Computerdateien besteht. Bevor sich die Studenten nach ihrem Abschluss im Juli wieder in alle Winde verstreuen, soll es ein drittes Treffen geben. Bis dahin soll auch ein Fotobuch als Erinnerungsstück fertig sein.

Simone Flesch, die bei der Dresdner Bank arbeitet und das Projekt mit angestoßen hat, hofft, dass es auch danach weitergeht. Die Manager sollen zumindest punktuell persönliche Ansprechpartner für die Schüler bei Karrierefragen werden. „Jeder von uns soll sich um einen Schüler weiterhin kümmern“, so Flesch. Sie selbst sei beruflich häufiger in Berlin und wolle die Schüler gerne wiedertreffen. „Ich bin determined“, sagt sie in bestem Managerdeutsch und eilt zum Kochtopf mit Bolognese-Sauce.

Auch Kartal Erköy drückt Houssin und Mohamed einen Zettel mit seiner E-Mail-Adresse in die Hand: „Meldet euch jederzeit!“ Neben einem Kuchen- hat er den Schülern auch ein Erfolgsrezept mit auf den Weg gegeben. Am Morgen hat seine Gruppe erst einmal einen Zeitplan aufgemalt. Bevor sie zusammen zum Einkaufen marschiert ist, hat sie genau das Budget durchgerechnet und dann zu möglichst frischen und hochwertigen Produkten gegriffen. „Zeit, Geld und Qualität – darauf kommt es bei jedem Projekt an“, hat der Teamleiter den Schülern eingebläut – beim Kuchenbacken wie sonst im Berufsleben.

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