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Kurz vor ACHT: Ein Blick zurück – in Wehmut

Da fehlt einem was. Ganz plötzlich.

Da fehlt einem was. Ganz plötzlich. Am Morgen sitzt nur noch ein Kind in der Küche. Für die ältere Tochter ist nach dreizehn Jahren das tägliche Ritual vorbei, jene hektischen Minuten, in denen die Schulbrote geschmiert, noch ganz wichtige Dinge besprochen und letzte Hausaufgaben erledigt wurden. So wird es tausenden Eltern gehen, deren Kinder jetzt ihr Zeugnis ausgehändigt bekommen, ob nach zehn, zwölf oder dreizehn Jahren. Nun geht das Kind einem neuen Lebensschritt entgegen, es löst sich vom Elternhaus. Kein schneller Kuss mehr an der Wohnungstür, kein Blick hinterher.

Wie oft waren wir Eltern am Morgen ungehalten, weil dem Kind plötzlich einfiel, was es am Vortag für die Schule hätte vorbereiten sollen oder was die Eltern ganz dringend noch unterschreiben mussten für den Lehrer, wie oft trieben wir ungeduldig die säumigen Kinder an, damit sie nicht ihren Bus verpassen. Vorbei, nach so vielen Jahren. Dabei scheint es doch erst wie gestern, dass die Tochter mit einer Tüte, die ebenso groß war wie das Kind, vor Ungeduld trippelnd auf die Einschulung wartete, mit riesigen Erwartungen und der Lust, ganz viel zu lernen. Die Lernlust zu bewahren, das war durch die Jahre nicht immer leicht. Doch glücklicherweise überwogen doch jene Lehrer, die ihren Beruf mit Lust und Liebe machten und die flammende Neugier beschützten, die zum Wertvollsten gehört, was man den Kindern mit ins Leben geben kann.

Nie mehr wird es am Morgen die kleinen Dramen geben, weil die beste Freundin so blöd, der Lehrer so ungerecht, die bevorstehende Chemie-Arbeit so schwer war. Da flossen Tränen. Was hat die Tochter geschimpft über die so ungerecht umfangreiche Mathe-Klausur beim Abitur, die zeitlich nicht zu schaffen war und so vielen den Abi-Schnitt versaute; auch das wird bald vergessen sein. Unvergessen aber wird der Moment bleiben, wenn heute Abend in vielen Schulen die Eltern in der Aula sitzen und die Rektoren die Abschlusszeugnisse verteilen. Da hat das Kind was geleistet – und die Eltern auch. Das bleibt. Um das kleine Ritual in der Morgenstund’ ist es dennoch schade. Gerd Nowakowski

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