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Leitfaden: Islam-Handbuch für Lehrer lässt viele Fragen offen

Zu viele theologische Kommentare, zu wenig Tipps: Auf die strittigen Beträume geht Entwurf für das handbuch "Islam und Schule" kaum ein.

Die lang erwartete Lehrerhandreichung „Islam und Schule“ bleibt trotz ihres Umfangs von über 100 Seiten und ihrer vierjährigen Entstehungszeit viele Antworten schuldig. So geht die aktuelle „Entwurfsfassung“, die dem Tagesspiegel vorliegt, kaum auf die heikle Frage der Beträume ein. Zudem gibt es thematische Doppelungen und unterschiedliche Interpretationen, die für Außenstehende schwer einzuordnen sein dürften. Ob und wann das Handbuch in der vorliegenden Fassung erscheint, ist offen; Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) muss noch zustimmen.

Ursprünglich war geplant, dass Schulen konkrete Hilfestellung bei Konflikten mit muslimischen Schülern und Eltern an die Hand bekommen sollten. Insbesondere bei Fragen wie der Teilnahme am Schwimm-, Sport und Sexualkundeunterricht gibt es immer wieder Verunsicherung. Es werden zwar an einigen Stellen konkrete Ratschläge gegeben. Diese gehen aber unter in den weitschweifigen theologischen Kommentaren, die unterschiedliche Deutungen nebeneinander stellen. „Unter einer Handreichung stelle ich mir etwas anderes vor“, sagte ein Lehrer, der sich mehr praktische Hilfestellung gewünscht hätte.

Besonders deutlich werden die Defizite beim Thema „Beten“. Es wird ausgeführt, welchen Stellenwert die muslimische Gebetspflicht hat und wie ihr nachgekommen werden muss. Der Islamwissenschaftler Stephan Rosiny schreibt, dass „eine Schulpause und ein ungestörter Raum hierfür ausreichen“. Dass es eine juristische Kontroverse zu dem Thema gibt, wird nicht erwähnt. Rosiny weist aber darauf hin, dass sich muslimische Schüler, die nicht beten wollen, unter „moralischen Druck“ gesetzt fühlen könnten, wenn ihre Mitschüler in der Schule beten. Zu diesem Thema äußert sich in dem Handbuch ansonsten nur noch der konservative Berliner Imam Ferid Heider. Er vertritt die Ansicht, dass man in der Schulzeit versuchen sollte, die vorgeschriebenen fünf Gebete zu verrichten.

Schon vor einem Jahr war die geplante Handreichung wegen Heiders Äußerungen kritisiert worden. Auch Rosiny wurde als zu unkritisch eingeschätzt. Wie berichtet, wurde daraufhin der Islamwissenschaftler Jochen Müller beauftragt, Heider in dem Papier kritisch einzuordnen und eigene Einschätzungen hinzuzufügen. Dies ist auch geschehen. Allerdings führt dies teilweise zu Doppelungen. So befassen sich Rosiny und Müller unabhängig voneinander mit der Frage, warum muslimische Jugendliche prozentual öfter straffällig werden als Jugendliche mit christlichem oder atheistischem Hintergrund. Beide Wissenschaftler führen aus, dass dies nicht auf den Glauben, sondern auf ihre prekäre soziale Lage, auf Schulversagen und die Entwurzelung der Eltern zurückzuführen sei. Für die Lehrer bringt die Doppelung keinen Gewinn.

Was den Umgang mit Homophobie und Antisemitismus angeht, räumt Müller ein, dass Diffamierung und Abwertung Homosexueller „nicht selten unter Bezug auf islamische religiöse Quellen“ erfolgt, und er gibt Lehrern konkrete Tipps, wie sie diese Problemfelder im Unterricht behandeln können.

An der Handreichung haben rund zwei Dutzend Fachleute und Praktiker mitgearbeitet. So finden sich auch gute Beispiele für die Einbindung von Migranten in den Schulalltag, wobei diese Ausführungen nur indirekt mit dem Thema „Islam“ zu tun haben. Die Erwartungen an das Papier sind gedämpft. Schon vor Monaten kritisierte Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen, das 100-Seiten-Papier sei letztlich „keine Handlungsanweisung, sondern eine Ansammlung von Texten“. Mehmet Alpbek vom Türkischen Bund begrüßt zwar, dass die Lehrer Hintergrundwissen an die Hand bekommen, vermisst aber konkrete Hinweise zum Thema „Beträume“. Der Leiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, Georg Krapp, glaubt, dass seine Kollegen längst eigene Lösungen gefunden hätten.

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