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Schule: Mit dem Lernpaten um die Welt

Seit fünf Jahren helfen Freiwillige Kindern und Jugendlichen beim Lesen, in Englisch oder Erdkunde Mittlerweile engagieren sich rund 1900 Ehrenamtliche in 240 Berliner Kitas und Schulen

Obwohl sie mitten in Moabit zur Schule gehen, haben Lara und Wendy heute schon eine Weltreise hinter sich – zumindest in Gedanken. Lernpate Richard Brasher, der mit den beiden 16-Jährigen Englisch übt, hat einen Plan der Londoner U-Bahn mitgebracht. Die Mädchen mussten die Tower Station in der britischen Hauptstadt finden, außerdem die imaginären Kontrollen am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen hinter sich bringen und sich auf dem Stadtplan von Los Angeles orientieren – alles auf Englisch natürlich. „Die Schüler sollen sich in der fremden Sprache überall zurechtfinden“, sagt Brasher. Einmal wöchentlich kommt er deswegen als ehrenamtlicher Lernpate in die Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule.

Die Idee mit den Lernpaten entstand im Bürgernetzwerk Bildung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) – vor genau fünf Jahren. „Ursprünglich wollten wir benachteiligte Kinder beim Lesen fördern“, sagt Sybille Volkholz, die das Projekt koordiniert. Mittlerweile wird allerdings nicht mehr nur gelesen – die Paten unterstützen ihre Schüler vielfach auch in anderen Fächern. Momentan sind rund 1900 Ehrenamtliche in Berliner Kitas, an Grund-, Haupt- und Förderschulen aktiv. Rund drei Viertel von ihnen sind Frauen. „Aber auch männliche Vorbilder sind in Kitas und Schulen ganz wichtig“, sagt Sybille Volkholz.

Wie Richard Brasher. Der 69-jährige Brite, der lange bei den Alliierten in Berlin arbeitete, lebt seit 1964 in der Stadt. Sein Enkel geht auf die Heinrich-von-Stephan-Schule, bei einer Kunstausstellung in der Aula sprach ihn vor drei Jahren eine Lehrerin an. „Sie sagte: Wenn Sie Englisch können, könnten Sie doch Pate werden“, erzählt er. Brasher gefiel die Idee. Seitdem ist er vier Stunden wöchentlich für eine neunte und zehnte Klasse da, um mit ihnen englische Konversation zu trainieren. „So bleibe ich geistig fit“, sagt er. „Und ich hoffe, dass ich helfe.“ Wendy und Lara hilft er auf jeden Fall: Wendy hat sich, seitdem sie mit ihm übt, um eine Note verbessert, Lara sogar um zwei.

Auch in der Weddinger Hans-Bredow-Hauptschule engagiert sich ein Lernpate – hier allerdings nicht im Englischunterricht, sondern im Bereich Ausbildung und Beruf. Nikolaus Petersen ist Wirtschaftsingenieur, war Geschäftsführer des TÜV Nord in Berlin und hat in Frankreich, den USA und China gelebt. „Ich habe jahrelange Berufserfahrung“, sagt der 66-Jährige. „Nun möchte ich meinen Ruhestand sinnvoll nutzen.“

Petersen wurde Lernpate, nachdem er im Tagesspiegel einen Text über andere Paten gelesen hatte. Zusammen mit dem Leiter der Bredow-Schule und den Klassenlehrern besprach er mögliche Einsatzgebiete. Nun profitieren die Neunt- und Zehntklässler einer Praxisklasse von seinem Engagement. Manchmal unterstützt er einfach die Lehrer im Unterricht – indem er etwa Schülern hilft, die nicht mitkommen. Oder er setzt sich mit einzelnen Jugendlichen zusammen und bespricht mit ihnen, wie es nach der Schule weitergehen kann. „Viele möchten einfach wissen, wie mein Berufsalltag war“, sagt Petersen. „Was ich gelernt habe, ob ich mal jemanden entlassen musste, ob mir die Arbeit gefiel.“

Und natürlich geht es auch darum, die Jugendlichen zu unterstützen, eigene Wege in den Beruf zu finden. So interessiert sich etwa der 15-jährige Mousa für eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Petersen nimmt sich Zeit, fragt nach Mousas Vorstellungen und recherchiert mit ihm am Computer. „Ich wüsste sonst gar nicht, wo ich anfangen soll“, sagt Mousa. Bald findet er mit Petersens Hilfe heraus, dass er nicht Mechaniker, sondern Elektriker werden will. Er kennt nun die Webseite der Industrie- und Handelskammer und weiß, welche Voraussetzungen er für eine Ausbildung als Elektriker mitbringen muss. Zunächst wird er wohl ein Praktikum machen. Einige Adressen für eine Bewerbung hat er sich aufgeschrieben.

Wendy und Lara, die beiden Englisch-Patenkinder von Richard Brasher, kennen die Tower Station übrigens nicht nur vom Papier. Auch in der Realität waren sie schon dort: Ihre Klasse reiste nach London – und Brasher, der gebürtige Londoner, begleitete sie. „Er konnte uns dort alles zeigen und erklären“, sagt Wendy, „es war toll, dass er dabei war.“

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