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Position: Wieder kein großer Wurf für die Lehrerbildung

Angehende Lehrer sollen künftig aus Bachelor- und Masterstudiengängen rekrutiert werden können. Dies wird die Qualität ihrer Ausbildung nicht beflügeln. Den Kultusministern fehlt der Mut für mehr als schwache Kompromisse.

Nach langem Ringen haben sich die Kultusminister der Länder in diesem Jahr auf die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Masterstudiengängen für angehende Lehrer geeinigt. Sind diese Beschlüsse tatsächlich ein Beitrag zu einer neuen, anspruchsvollen Lehrerbildung? Leider nein. Die Chance, sich auf eine substanzielle Reform der Lehrerbildung zu verständigen, wurde verpasst.

1. Es bleibt bei der Struktur unterschiedlicher Lehrämter für unterschiedliche Schularten. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen die Kinder schon früh, zumeist nach der 4. Klassenstufe, getrennt und auf verschiedene Schularten verteilt werden. Dies geschieht, obwohl die Erkenntnisse der pädagogischen Forschung, insbesondere im Rahmen der Auswertung der Pisastudien, belegen, dass die frühzeitige Bildung von homogenen Lerngruppen die Lernentwicklung eher behindert als fördert. Weil das deutsche Schulsystem seit langem nach Schularten gegliedert war, war auch das Lehrerausbildungssystem entsprechend gegliedert. Es bildete Lehrkräfte für den Unterricht in bestimmten Schularten aus. Sie konnten ihre „Lehramtsbefähigung“ nur in einem Jahre dauernden Prozess des „Laufbahnwechsels“ ändern oder erweitern. Daran wird sich nun leider auch in Zukunft nichts ändern.

Dabei ist durchaus Bewegung in der Bildungslandschaft zu beobachten. Es gibt eine verstärkte Nachfrage nach Gesamtschulen, es gibt einen deutlichen Trend zu Ganztagsschulen: Mehr Zeit zum Lernen! heißt das Motto. In der Mehrzahl der Länder ist ein Trend zur Zusammenfassung von Hauptschulen und Realschulen zu einer Schulform mit mehr gemeinsamem Unterricht festzustellen. Es gibt in ersten Anfängen (etwa in Schleswig-Holstein) Gemeinschaftsschulen, in denen alle Bildungsgänge vereinigt sind und in denen im Wesentlichen gemeinsam gelernt und individuell gefördert wird.

Die Anpassung der Struktur des Lehrerstudiums an solche Veränderungen ist aber ausgeblieben. Die für die Besoldung von Beamten zuständigen Innen- und Finanzminister der Länder und des Bundes sind sich einig, das „Fass“ Beamten- und Besoldungsrecht nicht aufzumachen. Der Lehrermaster unterscheidet also weiterhin zwischen Lehrämtern des höheren Dienstes und solchen des gehobenen Dienstes. Letztlich aus finanziellen Gründen und nicht aus inhaltlichen wird daher auch zwischen einem Studium mit 300 Leistungspunkten für angehende Studienräte, die überwiegend am Gymnasium eingesetzt werden, und einem Studium mit 240 Leistungspunkten für die anderen Lehrämter unterschieden, die überwiegend an Schularten der Sekundarstufe I unterrichten: Grund- und Hauptschule, Realschule, Regionalschule, Sekundarschule, teilweise auch Gesamtschule und Gemeinschaftsschule. Master ist also nicht gleich Master – eine verpasste Chance.

2. Die Einigung lässt wie meistens bei einstimmig zu fassenden Beschlüssen der KMK Ausnahmen zu. So wird Baden-Württemberg weiterhin die Lehrbefähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen nach einem vierjährigen Bachelorstudium verleihen. Ob Bayern seine Ausbildungsstruktur (ungestuftes, durchgehendes Lehrerstudium mit Staatsexamensabschluss) beibehält und also für mit den KMK- Beschlüssen vereinbar erklärt, bleibt abzuwarten. Hinter verschlossenen Türen wurde schon wechselseitig mit dem Versagen der Anerkennung gedroht. Die gegenseitige Anerkennung zu schaffen war aber gerade der Zweck der ganzen Anstrengung.

3. Ein wichtiger Grund, die gestufte Lehrerbildung einzuführen, ist die Erkenntnis, dass viele Lehramtsstudierende ihr Studium abbrechen, weil sie erkennen, dass der angestrebte Beruf für sie nicht geeignet ist. Das wäre nicht dramatisch, wäre das Bachelor-Studium stark fachlich und nicht so sehr pädagogisch ausgerichtet. Auf diesem Abschluss könnte dann ein Masterstudium, das nicht zum Lehrerberuf führt, aufbauen. Oder es könnte mit dem Bachelor der Eintritt in die Berufstätigkeit angestrebt werden, ohne Studienzeit zu verschenken.

Doch weil der Master für die Lehrämter des gehobenen Dienstes nach nur einem Studienjahr erworben werden kann, muss ein größerer Teil der pädagogischen Inhalte schon im Bachelor-Studium absolviert werden. Damit wird aber de facto ein durchgehendes, nicht gestuftes Lehrerstudium ohne die Möglichkeit des Ausstiegs mit einem Bachelorabschluss hergestellt bzw. beibehalten. Natürlich können die Studierenden mit dem Bachelor das Studium beenden, haben dann aber die pädagogischen Studien „verschenkt“.

Für Seiteneinsteiger, die sich erst nach dem Bachelor für ein Lehramtsstudium entscheiden, ist die Struktur ebenfalls ein Problem. Sie müssen fehlende Inhalte nachholen – aber werden zeitbewusste Studierende von heute das machen? Die beabsichtigte Flexibilität und Durchlässigkeit der Studiengänge wird auf diese Weise nicht erhöht, sondern verringert.

Die Kultusminister haben also einen großen Anlauf genommen, sind aber zu kurz gesprungen. Dies ist so, auch wenn der kurze Sprung immerhin gemacht worden ist: Die neu zu ordnenden Bachelor- und Masterstudiengänge müssen sich akkreditieren lassen. Eine weitere Chance liegt auch darin, dass beschlossen wurde, eine Rahmenvereinbarung zur Anrechnung von Teilen des Vorbereitungsdienstes auf den Masterabschluss „im Kontakt mit der Hochschulrektorenkonferenz“ zu erarbeiten. Auch hier kann ein Schritt zur Einführung einer offenen und durchlässigen Lehrerausbildung an Universitäten getan werden. Die Lehrerausbildung sollte als Hochschulstudium mit integrierten Praxisanteilen an Schulen gestaltet werden. Der Arbeitsauftrag gibt die Möglichkeit, in diese Richtung zu gehen.

Da viele Chancen verpasst wurden, müssen die verbleibenden jetzt ergriffen werden.

Der Autor war bis 2006 Vorsitzender des Schulausschusses der KMK, gegenwärtig ist er Berater für europäische Bildungsprogramme.

Klaus Karpen

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