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Schreiben fürs Leben. Die Grundwortschatzliste ist als Orientierungshilfe für Lehrer und Schüler gedacht.

© dpa

Qualitätspaket: Experten halten geplante Grundwortschatzliste für überflüssig

Die Wortliste basiert auf dem, was in Bayern längst praktiziert wird. Bildungssenator Jürgen Zöllner hat nach der Vorstellung seines Gesamtkonzepts jetzt die Umsetzung der ersten beiden Maßnahmen konkretisiert.

Das Qualitätspaket wird ausgepackt. Zehn Tage nach der Vorstellung seines Gesamtkonzepts hat Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) jetzt die Umsetzung der ersten beiden Maßnahmen konkretisiert. Hierbei handelt es sich zum einen um die Liste eines Grundwortschatzes für Erst- bis Viertklässler und zum anderen um die Unterstützung frisch ausgebildeter Lehrer bei ihrem Berufseinstieg.

Die Grundwortschatz-Liste ist, wie berichtet, als Orientierungshilfe für Lehrer, Schüler und Eltern gedacht. Sie besteht aus insgesamt 700 Wörtern und setzt sich aus den 100 häufigsten Wörtern wie den Artikeln, Konjunktionen und Präpositionen zusammen, die in jedem Text vorkommen. Dazu gibt es für die Erst- und Zweitklässler weitere 300 Wörter, die alle Kinder kennen und schreiben können sollten. Nochmal 300 Wörter kommen für Dritt- und Viertklässler hinzu.

„Zu den häufigen Wörtern für die Schulanfänger gehören etwa die Körperteile, aber auch Pflanzen- und Tierbezeichnungen“, fasst die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffes, die Wortliste zusammen. Unter dem Buchstaben „B“ wären etwa Birne und Biene, bei „G“ Gemüse und gesund, unter „Z“ Zeit und Zucker, unter „R“ Raupe und Rücken zu beherrschen. Die Dritt- bis Viertklässler bekommen es beim Buchstaben „B“ etwa mit backen, Bäcker, Bahn, bohren, boxen oder Boot zu tun.

Berlin muss das Rad nicht neu erfinden. Die Wortliste basiert auf dem, was in Bayern längst praktiziert wird. Nach Angaben des Münchner Kultusministeriums wird dort schon seit 1981 mit einem Grundwortschatz gearbeitet. Er dient als Basis für den Rechtschreibunterricht und wird auch beim Heimat- und Sachunterricht einbezogen. Auch Brandenburg orientiert sich seit Anfang dieses Jahres an diesen Erfahrungen.

Laut Stoffers wurde nur rund ein Viertel der bayerischen Wortliste ausgetauscht, um sie dem hiesigen Sprachgebrauch anzupassen. Geplant ist in Berlin, dass der Grundwortschatz in Schreib- und Leseübungen sowie beim Hörverständnis „generell und immer wieder im Unterricht eingesetzt werden soll“. Keineswegs sei daran gedacht, ihn ausschließlich für den Unterricht mit Migranten zu nutzen, „aber es bietet sich natürlich an, im Rahmen der Sprachförderung den Grundwortschatz einzubeziehen“, beschreibt Stoffers den künftigen Einsatz. Zudem könnten Eltern anhand des Materials mit den Kindern üben.

Unter Berliner Experten hält sich die Begeisterung über die süddeutsche Unterrichtshilfe aber in Grenzen. „Derartige Listen sind beliebig“, kritisiert Jörg Ramseger, Professor für Grundschulpädagogik an der FU. Zwar mache systematisches Arbeiten an einem Grundwortschatz Sinn, es müsse aber ein „Klassenwortschatz“ sein, also ein Wortschatz, der sich an den Themen orientiert, die im Unterricht besprochen wurden und keineswegs Wortlisten, die „von Staats wegen“ vorgeschrieben seien. Es müssten Worte sein, die über die im Unterricht behandelten Themen „für die Kinder Bedeutung erhalten haben“. Im übrigen sei das Ganze eine „Debatte aus den Achtzigern“.

Ähnlich sieht es Karin Babbe, eine der angesehensten Grundschulleiterinnen der Stadt, die seit etwa 30 Jahren Erfahrung mit Deutschunterricht für Migranten hat. An ihrer Erika-Mann-Grundschule im Wedding wird mit den Klassen ein eigener Grundwortschatz erstellt. Er orientiert sich an den Sachthemen, die gerade besprochen werden. Ein verordneter Grundwortschatz macht ihres Erachtens nur Sinn bei fachfremden Lehrern, die eine Hilfestellung brauchen. Ansonsten sei aus dem Thema „die Luft raus“.

Babbe selbst beschreibt ihre Haltung zu einem einheitlichen Grundwortschatz denn auch als „leidenschaftslos“. Dass der Senator ihn in sein Qualitätspaket genommen habe, liege wohl daran, dass es ein „unverfängliches Thema“ sei.

Mehr Beifall dürfte es für Zöllners Mitteilung vom Montag geben, jungen Lehrern über die schwierige Anfangszeit hinwegzuhelfen. Ein Jahr lang sollen sie Angebote durch ausgebildete Moderatoren bekommen. Freiwillige Einzelberatungen könnten den Berufseinstieg unterstützen – nicht nur in Problem- und Krisensituationen, lautet die Erwartung, die Zöllner in diesen Punkt aus dem Qualitätspaket setzt. Er begründet das Angebot, das an das Referendariat anschließt, damit, dass neue Lehrkräfte sich als Berufsanfänger in einer „komplexen Situation befinden“.

Sie seien zwar hochqualifiziert, verfügten jedoch über wenig Erfahrung etwa als Klassenleiter. Die neuen Lehrkräfte sollen sich daher zu konkreten Fällen mit den Moderatoren austauschen „und erhalten Hilfe zur Selbsthilfe und Coaching“, kündigte Zöllner an. Zudem werde es spezielle Seminare zu Selbstmanagement, Stressbewältigung, Sprachförderung und Leistungsbewertung sowie zum Zeit- und Gesundheitsmanagement geben.

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