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Schüler sollen künftig ihre Lehrer online bewerten.

© dapd

Schüler bewerten Lehrer: 1700 Lehrer wurden schon benotet

Die Internet-Fragebögen, mit denen Schüler künftig Lehrer bewerten sollen, gibt es bereits seit 2008. Bisher nutzen das Angebot nur wenige. Das Qualitätspaket macht die Teilnahme jetzt zur Pflicht.

Finden die Schüler meinen Unterricht spannend und abwechslungsreich, spreche ich laut und deutlich, merke ich, wenn jemand nicht mehr mitkommt – und fühlen sich die Schüler wohl in meinem Unterricht? Diese und 80 weitere Fragen müssen sich Berlins Lehrer künftig beantworten lassen, wenn es nach Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) geht. In seinem am Freitag vorgestellten Qualitätspaket ist vorgesehen, dass sich die Lehrer alle zwei Jahre von ihren Schülern bewerten lassen sollen. Das entsprechende Internetportal mit Fragebögen für Grund- und Oberschulen sowie für die Hauptfächer existiert seit 2008 – führt aber bislang eher ein Schattendasein.

„Bisher wurde das Selbstevaluationsportal von etwa 1700 Lehrern genutzt“, bilanziert Holger Gärtner, Projektleiter am Institut für Schulqualität Berlin-Brandenburg (ISQ). Zufrieden ist er mit diesem Ergebnis nach drei Jahren nicht. Auf der Suche nach den Gründen für diese Zurückhaltung kamen Gärtner und seine  Mitarbeiter dahinter, dass das Portal an vielen Schulen noch völlig unbekannt ist.

„Wir verbinden das ISQ vor allem mit den Vera-Vergleichsarbeiten und nicht mit den Fragebögen zur Lehrerbewertung“, berichtet die Vorsitzende des Landeslehrerausschusses, Brigitte Wilhelm. Auch sie hat sich noch nicht mit den Fragebögen beschäftigt. Als einen Grund für diese Zurückhaltung nennt sie die Reformflut der vergangenen Jahre: Die Lehrer hätten überhaupt keine Zeit, sich mit seitenlangen Fragebögen zu beschäftigen und zu überlegen, ob es Sinn hat, sie anonym von einer ihrer Klassen beantworten zu lassen. Zudem geht Wilhelm davon aus, dass es den meisten Lehrer lieber ist, ein Feedback im direkten Gespräch mit ihren Schülern zu bekommen. Darüber hinaus hält sie es für wichtig, dass Kollegien mithilfe von Fortbildungen darin unterstützt werden, sich eine Feedbackkultur anzueignen. Einen Zwang zur Selbstevaluation lehnt sie ab.

Auch der Direktor des John-Lennon- Gymnasiums in Mitte, Jochen Pfeifer, ist im Hinblick auf den von Zöllner geforderten Zwang skeptisch. Es sei besser, Anreize zu schaffen. Abgesehen davon findet er aber, „dass Feedbackkultur zu einer modernen Schule gehört“. Deshalb hat die John-Lennon-Schule schon vor mehreren Jahren ein Bewertungssystem von Schülern für Lehrer etabliert. Allerdings sei dem eine Abstimmung im Kollegium vorausgegangen, erläutert Pfeifer. Es habe also eine Einigung gegeben.

Mit seinem Selbstevaluationsportal gehört das ISQ zu den Vorreitern in Deutschland. Ähnliches gebe es bislang nirgends, berichtet der Direktor des Instituts für Qualität im Bildungswesen, Anand Pant, der zuvor das ISQ leitete.

Tatsächlich haben Berlin und Brandenburg sich einen großen Vorsprung erarbeitet. Zwar haben bislang erst 1700 von rund 29 000 Lehrern das Portal genutzt. Dennoch konnte damit schon viel Erfahrung gesammelt werden, schließlich haben laut Projektleiter Gärtner rund 30 000 Schüler mitgewirkt. Dadurch ist sichergestellt, dass die Fragebögen praktikabel sind und ihren Zweck erfüllen.

Und die Arbeit geht weiter. In Planung sind weitere Fragebögen für Nebenfächer wie Musik, Sport und Geographie, nachdem es bisher nur welche für Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen und Naturwissenschaften gibt. Zudem hat das ISQ noch einen weiteren Fragebogen entwickelt, der die Arbeit der Schulleiter unter die Lupe nimmt. Er ist bereits fertig, aber noch so neu, dass er erst von einigen wenigen Schulleitern an die Kollegien verteilt wurde. Diese „Testphase“ sei jetzt vorbei, berichtet Gärtner. Eine Verpflichtung der Schulleiter, sich von ihren Lehrern bewerten zu lassen, ist allerdings im Qualitätspaket nicht vorgesehen.

Bei den Schüler-Lehrer-Bewertungen allerdings wird es jetzt ernst. Die Verpflichtung werde in eine neue „Evaluationsverordnung“ aufgenommen, sagte Zöllners Sprecherin Beate Stoffers auf Anfrage. Diese Verordnung sei schon seit längerem vorbereitet und auch schon mit dem Datenschutzbeauftragten besprochen worden. Der genaue Text zum Bewertungsportal müsse mit ihm aber noch abgestimmt werden. Zudem sei die Beteiligung der Gewerkschaften, Lehrerverbände und auch des Landesschulbeirates vorgesehen. Da das alles einige Zeit braucht, rechnet die Bildungsverwaltung nicht damit, dass die Verordnung bereits zu Beginn des Schuljahres 2011/12 vorliegen wird.

„Wir hoffen natürlich, dass viele Lehrer innen und Lehrer das Instrument jetzt schon freiwillig einsetzen – gerade zum Schuljahresende“, betonte Beate Stoffers. Man müsse ja nicht auf die Verpflichtung warten.

Angst vor öffentlicher Bloßstellung müssen die Lehrer übrigens nicht haben: Das ISQ sichert Anonymität zu. Nur der Lehrer selbst erfährt, ob die Schüler mit seinem Unterricht zufrieden sind oder ob sie ihm eine glatte Sechs erteilen. Ihm bleibt auch überlassen, ob er aus den Bewertungen Konsequenzen zieht.

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